WDR-Sport Seltene Krankheit: Diese Brüder trotzen ihrem Schicksal
Zum Schalttag erinnern Patientenschützer an Menschen, deren Leiden selbst Ärzte manchmal ratlos machen. Zwei Brüder aus Gescher im Kreis Borken lassen sich von ihrer Krankheit trotzdem nicht unterkriegen.
"Im Kindergarten hat man es schon gemerkt und in der Schule noch deutlicher", erinnert sich Julian Lammering. "Ich konnte nicht mit Fangen spielen oder beim Fußball warst du immer Torwart." Lammering leidet an der hereditären spastischen Spinalparalyse, kurz HSP - einer sehr seltenen Krankheit.
An HSP leiden bundesweit etwa 3.000 Menschen, auch Julians jüngerer Bruder Maximilian und auch Sandra Lammering, die Mutter der beiden. Durch HSP degeneriert das Rückenmark und zwingt die Betroffenen früher oder später in den Rollstuhl.
Selbst Ärzte rätseln, woran Betroffene leiden
Der 29. Februar ist weltweit der Tag der seltenen Krankheiten. Er soll an die sogenannten "Waisen der Medizin" erinnern. Dahinter stehen bundesweit vier Millionen Betroffene, die an den unterschiedlichsten Beschwerden leiden.
Manche der Krankheiten sind so selten, dass selbst Ärzte nicht wissen, um was es sich eigentlich handelt. Aber allen Betroffenen ist eins gemein: Sie müssen einen Weg finden, um ihr schweres Schicksal zu meistern.
Seltene Krankheiten oft jahrelang unerkannt
Bei Julian fing es an, als er gerade mal drei Jahre alt war. Seine Mutter Sandra weiß noch sehr genau, als sie zum ersten Mal bemerkte, dass irgendwas nicht stimmt: "Ich lag mit Maximilian im Krankenhaus, hatte ihn gerade frisch entbunden, und Julian kam ins Zimmer und lief komisch."
Damit begann eine jahrelange Ärzte-Odyssee. Ein Schicksal, das viele Betroffene kennen, denn seltene Krankheiten sind auch für Mediziner eine Herausforderung.
Betroffene erleben häufig eine jahrelange Ärzte-Odyssee
Mutter Sandra Lammering unterstützt ihre Söhne
Seit 2004 gibt es die ACHSE - die Allianz seltener chronischer Krankheiten, ein Netzwerk von Selbsthilfeorganisationen. Ihr Ziel ist es, auf diese "Waisen der Medizin" aufmerksam zu machen, zu sensibilisieren, Studien voranzutreiben und die internationale Zusammenarbeit von Forscherteams zu unterstützen.
An vielen Unikliniken sind Zentren für seltene Erkrankungen entstanden, wie etwa an der Uniklinik Münster. Allein dort stellen sich pro Jahr 12.000 Menschen aus dem In- und Ausland mit den unterschiedlichsten Beschwerden vor. Viele von ihnen erfahren dort zum ersten Mal, an was sie eigentlich leiden.
"Das ist unheimlich wichtig", erzählt Zentrumssprecher Professor Heymut Omran. "Viele laufen schon seit Jahren von einem Arzt zum nächsten. Sobald klar ist, an was der Betroffene leidet, ist es auch möglich, einen wirklich zielgerichteten Therapieplan zu erstellen."
Einen Profivertrag in der Tasche
Julian Lammering hofft, bei den Paralympics spielen zu dürfen
Mittlerweile sind die Brüder Lammering und ihre Mutter auf den Rollstuhl angewiesen. Doch die Söhne haben große Träume, denn mit dem Rollstuhlbasketballverein BBC Münsterland spielen sie bereits in der ersten Bundesliga. Dafür investieren sie seit Jahren ihre ganze Freizeit.
Ihr Einsatz macht sich bezahlt, denn längst sind andere auf die jungen Rollstuhlsportler aufmerksam geworden. Julian hat bereits einen Profivertrag in der Tasche. In wenigen Wochen entscheidet sich, ob er im Sommer nach Paris fährt zu den Paralympics.
Der 16-jährige Maximilian muss erst noch sein Abitur machen. Aber auch er hat sein Ziel fest im Blick: "Auch die Paralympics, das ist mein Traum und irgendwann auch als Vollprofi den Sport machen."
Unsere Quellen:
- Uniklinik Münster
- Familie Lammering
- ACHSE: Allianz seltener chronischer Krankheiten
- WDR-Reporterin vor Ort
Über dieses Thema berichten wir am 29.02.2024 auch im WDR Fernsehen: Lokalzeit Münsterland.