In der Länderspielpause Fünf Dinge, die der 1. FC Union dringend angehen muss
Mit sieben Pflichtspiel-Niederlagen in Serie steckt Union Berlin in seiner größten sportlichen Krise seit dem Aufstieg in die Bundesliga. Die Länderspielpause gibt Urs Fischer und seiner Mannschaft die Möglichkeit an den Problemen zu arbeiten. Von Till Oppermann
1. Rani Khedira und Robin Knoche zurück auf den Platz bringen
Trotz der anhaltenden sportlichen Misere gab es beim 1. FC Union Berlin in der vergangenen Woche auch gute Nachrichten. Etwa auf der Mitgliederversammlung, dort verkündete Vereinspräsident Dirk Zingler Rekordzahlen. Noch wichtiger für den kurzfristigen Erfolg ist etwas anderes: Rani Khedira kann nach mehrwöchiger Verletzungspause wieder trainieren. Unions Vizekapitän hatte sich im ersten Pflichtspiel der Saison im DFB-Pokal an der Wade verletzt - und seitdem er fehlte, erinnerte das Spiel der Eisernen nur noch entfernt an die erfolgreiche Vorsaison.
Als sich dann auch noch Abwehrchef Robin Knoche mit muskulären Problemen abmelden musste, war es endgültig um die gewohnte defensive Stabilität geschehen. Im Schnitt kassieren die Eisernen in dieser Saison pro Ligaspiel zwei Gegentore. Neuzugänge wie Leonardo Bonucci und Alex Kral fremdeln mit Unions aggressiver Spielweise gegen den Ball. Für Sportdirektor Oliver Ruhnert liegt der Grund auf der Hand: "Ein Umbruch braucht verlässliche Akteure." In der vergangenen Saison verpassten Khedira und Knoche nur jeweils ein Ligaspiel, mit den beiden ging auch die Verlässlichkeit verloren.
2. Spieler sollten wieder Urs Fischers Plan folgen
Vielleicht hilft die bevorstehende Rückkehr der beiden Lieblingsspieler des Trainer auch bei einem anderen Problem: Urs Fischer fühlt sich zurzeit nicht ernst genommen. Nach der 2:4-Niederlage in Dortmund kritisierte er die Abwehrleistung seiner Mannschaft als "ungenügend" und legte nach: "Wir hatten andere Absprachen". Warum sein Team zu Beginn der zweiten Halbzeit mit einer Führung im Rücken aufhörte, aktiv Fußball zu spielen, war für ihn unerklärlich: "Wie du das zweite und dritte Gegentor bekommst, das geht auf diesem Niveau nicht".
In der Tat befanden sich die Köpenicker in der Phase nach der Halbzeit, als Dortmund das Spiel mit zwei Toren innerhalb von fünf Minuten drehte, dauerhaft im Rückwärtsgang. Die Länderspielpause bietet eine passende Gelegenheit, um sich mit dem Team zusammenzusetzen und über Lösungsansätze zu diskutieren. Dass Urs Fischer diese hat, beweist der Erfolg der letzten Jahre, als Union stets konsequent nach vorne verteidigt hat.
3. Zurück zum Kollektiv
Eines der wichtigsten Union-Worte in dieser Zeit lautete: "kollektiv". Wer Fischer nach der Leistung einzelner Spieler fragte, bekam in der Regel Anworten, die sich auf das ganze Team bezogen. Nicht weil ihre Klasse für den Erfolg seiner Spielweise keine Rolle spielt, wie die Personalien Khedira und Knoche zeigen, sondern weil Unions größte Stärke darin bestand, als Mannschaft besser zu spielen, als die Summe ihrer Teile auf dem Papier zu erwarten ließ.
Neuzugänge wie Nationalspieler Robin Gosens oder Europameister Bonucci haben das individuelle Niveau im Kader angehoben. Trotzdem hagelt es Niederlagen. Am Beispiel Gosens kann man das Problem erklären: Seine steten Offensivläufe haben Union schon drei Tore beschert. Weil seine Hintermänner ihn aber gleichzeitig nicht ordentlich absichern, ist Union über Gosens‘ Abwehrseite besonders anfällig – wie zuletzt beim dritten Gegentor in Dortmund.
4. Selbstvertrauen aufbauen
"Wir haben ehrlicherweise momentan nicht die mentale Stärke, um darüber hinwegzukommen", sagte Gosens am Samstag in Dortmund und meinte die zwei schnellen Gegentreffer nach der Pause.
Nach mittlerweile sieben Niederlagen in Serie fehlt den Unionern das Selbstvertrauen. Die verspielten Führungen in Dortmund und gegen Braga nähren in der Mannschaft ein Gefühl der Ohnmacht. Sechs der neun Gegentore in diesen beiden Spielen fielen von außerhalb des Strafraums. "Traumtore", die zur allgemeinen Situation passen würden, befand Gosens.
Vielleicht ist es der richtige Weg für Union, sich trotz leerer Hände auf das zu berufen, was zuletzt funktionierte: Die ersten Halbzeiten gegen Dortmund und Braga waren gegen den Ball und im Umschaltspiel durchaus überzeugend. "Wir brauchen eine positive Einstellung", forderte Urs Fischer in Dortmund. Denn ohne die könne man es gleich ganz sein lassen.
5. Effektivität im Abschluss verbessern
Diese positive Einstellung hätte insbesondere die Offensive bitter nötig. Gerade beim Torabschluss spielt das Selbstbewusstsein eine entscheidende Rolle und die Chancenauswertung der Mannschaft ist aktuell weit entfernt vom Niveau der vergangenen Jahre.
"Beim Stand von 3:2 haben wir durch Aaronson eine riesige Chance auszugleichen", analysierte Fischer etwa in Dortmund. Der klägliche Versuch des US-Amerikaners, der aus wenigen Metern freistehend am Tor vorbeischoss, steht hier nur stellvertretend für viele Szenen in den vergangenen Wochen, als Union klare Chancen nicht nutzte. Was Mut macht: Immerhin gelingt es Union konstant in gefährliche Positionen zu kommen. Während Stürmer Kevin Behrens auf seiner ersten Reise mit der deutschen Nationalmannschaft ganz sicher Auftrieb bekommen wird, könnten die Teamkollegen zuhause Torabschlüsse üben.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.10.2023, 12:15 Uhr