Pokalfinale | BR Volleys Das Pokalfinale im Fanblock der BR Volleys: Hörsturz und Heiserkeit
Stehen die BR Volleys auf dem Feld, ist der siebte Mann nicht weit. So auch beim DVV-Pokalfinale gegen Herrsching in Mannheim. Wer sich unter dem orangen Banner verbirgt und warum eine Kuhglocke die bessere Ratsche ist. Von Lynn Kraemer
"Hast du Ohrstöpsel dabei? Das geht hier auf die Ohren", warnt ein gutgelaunter Volleys-Fan kurz vor Spielstart. Die niedrigste Gesprächslautstärke, die folgt, ist Brüllen. Dann geht es in die dritte Reihe direkt hinter zwei Trommlerinnen. Links rollen zwei jüngere Volleys-Fans ein Banner mit dem Gesicht von Zuspieler Leon Dervisaj auseinander, rechts machen sich zwei ältere Fans mit Kuhglocke und Ratsche bereit.
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"Wie es ausgehen wird?" - "Na 3:0 natürlich." Die Antwort verlässt den Mund von Dietmar (Weißleder - Vornamen reichen im Block) bereits, bevor die Frage fertig gestellt ist. Wer die BR Volleys anfeuert, kann selbst in ein Pokalfinale mit Selbstbewusstsein gehen. Gegen Herrsching sowieso. Am 25. November 2017 konnte sich der selbsternannte "geilste Club der Welt" im Pokal-Viertelfinale zum ersten und einzigen Mal in der Vereinsgeschichte gegen Berlin durchsetzen. Um die kassierten Niederlagen zu zählen, reichen zwei Hände schon lange nicht mehr aus.
Zählen mit den Volleys-Fans
Die Trommeln übernehmen das Gespräch und den Takt: "B-B-BRV". Gefolgt vom Anzählen des nächsten Punktes. "Eins, zwei, ..." - Ruben Schott verwandelt. "Eins, zwei, ..." - Marek Sotola legt nach. Beim 1:6-Rückstand nimmt Herrsching die Auszeit und die erste Reihe des Fanblocks ein übergroßes Laken in die Hand, das sich innerhalb von Sekunden über den ganzen Block spannt. Wer von außen draufschaut, kann "Attacke! Fanclub 7. Mann" lesen. Wer drunter steht, sieht vor allem orange. Wobei, ganz stimmt das nicht. Nach einem Schwenk nach links und rechts gewöhnen sich die Augen an die Umgebung und das Spielfeld ist erstaunlich gut durch den leicht durchscheinenden Stoff zu erkennen.
Dietmar zieht sich das Laken seit fast zehn Jahren über den Kopf: "Wir sind eher durch Zufall zu einem Champions-League-Spiel gegangen. Die Atmosphäre beim Volleyball und das Umgehen miteinander fand ich einfach toll. Deswegen bin ich dabeigeblieben." Der 72-Jährige aus Reinickendorf ist Dauerkartenbesitzer und begeisterter Auswärtsfahrer. Immer mit dabei: seine Kuhglocke. "Ich habe verschiedene Dinge ausprobiert. So eine Ratsche haben alle. Dann habe ich es mit einer Fahrradklingel und mit einer Tröte versucht, aber das kommt alles nicht durch", so Dietmar. "Die Glocke hört man auch im Fernsehen wieder." Wenn er sich die Spiele nachträglich anschaue, höre er immer seine Glocke.
Das orangefarbene Banner im Fan-Block der BR Volleys beim Pokalfinale | Bild: picture alliance/Lukas Adler
Ass-Erneuerung
Eine Reihe vor Dietmar ist Volleys-Fan Tim auf einer ganz eigenen Mission. Er will "ASS, ASS, ANANAS" etablieren. "Wir spielen bei uns auf dem Dorf in der Vorstadt auch Volleyball. Da gibt es den ein oder anderen Spruch und den versuchen wir hier mitzunehmen." Für den Spruch hat er ein eigenes Kommando-Schild in Blockschrift mitgebracht. Blöd nur, dass der Ass-Beauftragte ein paar Reihen hinter ihm auf das bewährte "Bube, Dame, König, Ass"-Schild setzt.
Seinen Ehrgeiz kann Tim niemand im Block 215 absprechen. Den Fanschal hat der 34-Jährige um den Kopf gebunden und jedes Mal, wenn er aufspringt, nimmt der Mann im Benjamin Patch-Trikot die klappbare Sitzlehne vor sich direkt mit. Wäre nicht zufällig direkt über ihm in der Hallendecke die Lüftung, würde er vermutlich wie die Spieler schwitzen. Mitte des zweiten Satzes tun ihm die mitgereisten Fans den Gefallen. An "Bube, Dame, König, Ass" schließt sich "Ass, Ass, Ananas" an. "Na geht doch!" brüllt er mit einem zufriedenen Grinsen und streckt die Fäuste in die Luft. "Wir machen es noch nicht so lange. Insofern hat es noch ein bisschen Zeit, aber spätestens zur nächsten Saison muss es funktionieren."
Den Altersschnitt senken
Tim hat die Liebe zu den BR Volleys kurz vor Beginn der Corona-Pandemie gepackt. "Ein, zwei Spieler waren einfach so von der Charakteristik, vom Spielstil, aber auch vom Typ Mensch so cool und anziehend, dass ich immer wieder hingegangen bin." Gerade Benjamin Patchs Art und dessen offener Umgang mit seiner Sexualität habe ihn begeistert: "Es ist nicht dieses Verbissene. Klar, der ein oder andere sieht es gerne, wenn man sich zum Erfolg kämpft, aber ich bin dafür, dass man es auch mal ein bisschen lockerer angeht und nicht immer alles so ernst nimmt." Die Volleys tun ihm den Gefallen und entscheiden den zweiten Satz souverän mit 25:18. High Fives für alle im Umfeld von fünf Metern.
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Neben seiner Ass-Initiative hat Tim noch einen zweiten, langfristigen Plan: "Ich will den Altersschnitt hier im Block ein bisschen senken, weil der unfassbar hoch ist." Er hat recht: Um ihn herum sind die Haare vor allem grau. Die Choreos sind seit Jahren einstudiert. Die jüngeren Fans sind klar in der Unterzahl. Aber sie sind da.
Das liegt auch daran, dass die langjährigen Volleys-Anhänger sehr offen für Neuankömmlinge sind: "Wir sind beim VC Bitterfeld-Wolfen zum ersten Mal beim Auswärtsspiel mitgefahren und haben direkt eine Trommel in die Hand gedrückt bekommen und sollten und mussten dann." Auch als sich Libero Satoshi Tsuiki verletzt und Tim mit "Sato"-Anfeuerungsrufen loslegt, weil der Block ruhig bleibt, schließen sich die anderen Fans an.
Siegessicher zu jeder Sekunde
Als die Volleys im dritten Satz kurz etwas an Konzentration verlieren und gegen Herrsching etwas in Straucheln geraten, herrscht im Fanblock vor allem Gelassenheit. Das werde schon. Aus der Fassung bringt sie eher, dass der eigentlich neutrale Hallensprecher plötzlich das ganze Publikum in der Mannheimer Arena auf den Underdog einstimmt. Dass sogar der Potsdamer Fanblock freudig mitwippt, nachdem die Volleys sie im Frauenfinale lautstark unterstützt haben, sticht besonders. 18:19.
Wird es noch einen vierten Satz geben? "Ne, das machen die Jungs. Die gewinnen das Ding jetzt", ist sich Tim sicher. Erwartungsmanagement muss man als Fan des 13-fachen Meisters nicht lernen. "Ich habe einfach das Vertrauen in die Jungs, weil die einfach so viel Qualität gegenüber allen anderen in der Liga haben und jedes Spiel gewinnen können. Egal wann." Tims Sitznachbar im Grankin-Trikot nickt zustimmend. Die Mannschaft lässt sie nicht im Stich. "Drei noch!" tönt es durch den Block. "Zwei noch!" Die Fans erheben sich. Einen Matchball kann Herrsching abwenden, dann darf Tim seinen Schal wie einen Tornado durch die Luft schleudern. Das, was noch von seiner Stimme da ist, verschwindet endgültig. Egal, Montag hat er sich freigenommen. High Fives für alle.
Sendung: rbb24 Inforadio, 04.03.2024, 8:15 Uhr