NDR-Sport Quo vadis, VfL? Osnabrück will ein Spitzenteam der 3. Liga sein
Als Absteiger wird der VfL Osnabrück in der 3. Fußball-Liga automatisch genannt, wenn es um die Aufstiegsanwärter geht. Aber Zweifel haben sie selbst gesät. Die Generalprobe gegen Zweitligist Eintracht Braunschweig war ein Debakel.
Was hatte der Last-Minute-Aufstieg im Mai 2023 für Begeisterungsstürme ausgelöst. Zwei Treffer in der Nachspielzeit gegen Borussia Dortmund II machten aus einem 0:1 ein 2:1 - und sorgten für einen Andrang in den Osnabrücker Tattoostudios. Auch Chefcoach Tobias Schweinsteiger ließ sich die Zahl des Tages "90.+6", die Minute des zweiten Treffers von Jannes Wulff, unter die Haut stechen.
Die Euphorie währte nur kurz, nach nur einer Saison ging es wieder runter in die Dritte Liga. Beim nächsten Anlauf, in Deutschlands zweithöchste Spielklasse zurückzukehren (und dort zu bleiben), macht eines Mut: Der VfL weiß, wie es geht. Nach acht Jahren in der Dritten Liga zwischen 2011 und 2019 ist es ein Erfolg, dass die Niedersachsen zur Fahrstuhlmannschaft geworden sind. Und vielleicht gelingt es den Osnabrückern erneut, für bleibende Erinnerungen zu sorgen.
So lief die vergangene Saison
Die Zweitliga-Saison begann für den Aufsteiger wie ein Albtraum. Nur einen Punkt gab es aus den ersten sechs Spielen. Im Niedersachsenduell bei Hannover 96 setzte es eine 0:7-Klatsche! Dann gewann der Tabellenletzte sensationell gegen den HSV (2:1) - und es wurde trotzdem nicht besser. Aufstiegsheld Schweinsteiger musste Mitte November gehen. Als Uwe Koschinat nach dem 14. Spieltag übernahm, hatte Osnabrück gerade einmal sieben Punkte auf dem Konto. Zur Winterpause waren es neun und genauso groß war der Rückstand ans rettende Ufer.
Erst im neunten Spiel (!) feierte Koschinat seinen ersten Sieg als Chefcoach mit dem VfL. Mit dem 1:0-Erfolg gegen Hannover konnte die dicke Scharte aus der Hinrunde zumindest ein bisschen ausgewetzt werden. In Worten: Am 23. Spieltag fuhr Osnabrück den zweiten Saisonsieg ein. Aber es kamen noch vier hinzu - unter anderem noch einmal gegen den HSV (2:1). Am Ende waren es nur vier Zähler Rückstand auf den Relegationsrang - wofür auch die insgesamt zehn Unentschieden sorgten. Die Stimmung war am Saisonende aufgrund der deutlichen Steigerung in der Rückrunde so schlecht nicht.
Wer kam, wer ging?
21 Abgänge hatte der VfL nach dem Abstieg zu verkraften - die fünf Leihspieler inklusive. Auch Stürmer Erik Engelhardt, der in der vergangenen Saison zehn Tore erzielt hat und gern zweitklassig bleiben möchte, könnte den Verein noch verlassen. In der Vorbereitung spielte der bullige Angreifer keine Rolle. Dem gegenüber stehen bisher neun externe Zugänge. Trainer Koschinat, mit dem der VfL bereits im April verlängert hatte, muss eine neue Mischung finden aus den verbliebenen Absteigern und frischem Blut. Von der Papierform her hat er ein starkes Team zur Verfügung.
Torhüter David Richter, der von der Ersatzbank von 1860 München nach Osnabrück kam, ist die neue Nummer eins und als einziger Neuzugang in den Mannschaftsrat gewählt worden. Stürmer Joel Zwarts (ebenfalls von 1860) hat in der Vorbereitung Hoffnung gemacht, im lila-weißen Dress für Tore sorgen zu können. Auch der erst 19-jährige Niklas Niehoff (Holstein Kiel) könnte eine gute Rolle spielen.
Liridon Mulaj (FC Stade Lausanne Ouchy) und Aday Ercan (Wuppertaler SV) konnten sich gegen die höherklassigen Testspielgegner Hannover 96 (2:4) und Eintracht Braunschweig (1:5) in die Torschützenliste eintragen.
Ziele in der neuen Saison
Ein Selbstgänger wird die kommende Saison für die Lila-Weißen dennoch nicht. "Klar, jetzt muss noch mal ein nächster Step kommen - wir wollen nicht hoch verlieren oder sonstwas", hatte Dave Gnaase noch vor dem Spiel gegen Braunschweig gesagt, aber auch schon vorgebaut: Das Ergebnis solle nicht im Vordergrund stehen. "Wir dürfen uns nicht zu viele Gedanken machen", sagte der Offensivmann im Trainingslager.
Der volle Fokus liege auf dem ersten Saisonspiel beim SV Sandhausen heute (14 Uhr, im NDR Livecenter). Vom Ergebnis im ersten Ligaspiel "hängt schon immer ein bisschen was ab, wie man in so eine Saison startet". Man müsse "schon sehen, dass wir die drei Punkte unbedingt wollen."
Sandhausen wird sicher zu den Konkurrenten um die vorderen Plätze zählen. Dazu Dynamo Dresden, Zweitliga-Mitabsteiger Wehen Wiesbaden, Arminia Bielefeld - auch der FC Ingolstadt hat wieder zum Angriff geblasen. Für Osnabrück scheint vieles möglich zu sein - doch das neuformierte Team muss schnell zusammenwachsen. VfL-Kapitän Timo Beermann, der genauso wie sein Stellvertreter Gnaase vom Trainerteam bestimmt worden ist, ist da optimistisch: "Wir sind allgemein auf einem guten Weg. Die Jungs, die dazugekommen sind, sind hervorragende Jungs."
Das sagt der Trainer
Auch wenn Koschinat nach der verpatzten Generalprobe gegen Braunschweig betonte, "nicht alles über den Haufen werfen" zu wollen, hat das Team selbst Zweifel an der Leistungsfähigkeit gesät. Die Eintracht, nur mit Ach und Krach in der Zweiten Liga geblieben, war den Lila-Weißen in allen Belangen überlegen. Gerade dem Spieltempo der "Löwen" war der VfL nicht gewachsen - was angesichts von sieben Spielern in der Startelf, die schon vergangenes Jahr dabei waren, tief blicken lässt.
Umso mehr überraschte Koschinats Anmerkung, ihm habe missfallen, dass sein Team "zu keinem Zeitpunkt bereit war, auch mal brutal zu spielen". Der Coach scheute in der Analyse auch die klaren Worte nicht: Das Spiel sei ein "Debakel" gewesen, sein Team "sehr, sehr stark auseinandergefallen". Und weiter: "Wir sind teilweise in Zweikämpfen so deutlich unterlegen gewesen, dass es diesem Klassenunterschied von einer Liga nicht entspricht. Das war mehr. Das macht dann auch nachdenklich – klar!"
Koschinat wollte nun vor dem Saisonstart dafür sorgen, dass sich die Zweifel nicht festsetzen. "Das Sandhausen-Spiel wird ein ganz, ganz anderes", betonte der Fußball-Lehrer: "Wir wollen einen Weg gehen, auf dem wir uns identifizieren wollen über ein Spitzenteam in der Dritten Liga. Das wird direkt ein sehr, sehr richtungsweisendes Spiel."