Trainer Ole Werner (l.) und die Spieler des SV Werder Bremen freuen sich.

NDR-Sport Datenanalyse: Darf Werder Bremen zu Recht vom Europapokal träumen?

Stand: 07.01.2025 14:03 Uhr

Werder Bremen spielt bislang eine starke Bundesligasaison, die beste seit 13 Jahren. Das befeuert rund um das Weserstadion Träume von einer Rückkehr in den Europapokal. Die Datenanalyse zeigt, in welchen Bereichen sich die Bremer deutlich verbessert haben und ob der internationale Wettbewerb realistisch ist.

Von Tobias Knaack

Es ist eine nahezu luxuriöse Situation, in die sich die Bremer kurz vor Weihnachten selbst gebracht haben. Nach dem überzeugenden 4:1 über Union Berlin stehen sie mit 25 Punkten nach 15 Partien so gut da wie seit 13 Jahren nicht. Nicht nur, dass die Grün-Weißen, anders als in den zurückliegenden Jahren, in dieser Saison offenbar wirklich nichts mit dem Abstieg zu tun haben. Im Gegenteil, sie können den Blick von Platz sieben aus nach oben richten.

Bremer treten auf die Euphoriebremse

Und so wachsen an der Weser, auch wenn die Verantwortlichen um Profifußball-Boss Peter Niemeyer ("Wenn wir die 40 Punkte erreicht haben, denken wir darüber nach") auf die Bremse treten, die Träume von einer Rückkehr nach Europa. Und angesichts der Punktgleichheit mit Dortmund (6.) und Mainz (5.) sowie nur zwei Zählern Rückstand auf Leipzig (4.) und Frankfurt (3.) ist das vor dem ersten Spiel nach der Winterpause - ein direktes Duell mit RB am Sonntag (15.30 Uhr, im NDR Livecenter) - durchaus realistisch.

Europa? Friedl will "natürlich um die Plätze mitkämpfen"

"Natürlich ist es tabu", hatte Kapitän Marco Friedl nach dem überzeugenden 2:0-Auswärtssieg bei Aufsteiger FC St. Pauli Mitte Dezember mit einem schelmischen Lächeln auf die Frage geantwortet, ob er über den Kampf um die internationalen Plätze reden könne. Ein wenig offensiver wurde er dann aber doch. "Wir wollen natürlich um die Plätze mitkämpfen - und mit solchen Leistungen verdienen wir uns das gerade Woche für Woche auch."

Es ist ein Selbstbewusstsein beim SVW, das berechtigt ist, wie auch die Daten des Global Soccer Networks (GSN) zeigen. Werder hat sich, aufbauend auf Platz acht in der Vorsaison, in den bisherigen Partien in dieser Saison in vielerlei Hinsicht gesteigert.

Mehr Dynamik, mehr Kontrolle, mehr Stabilität

Das hat den GSN-Analysen nach vor allem auch mit einer Flexibilisierung des Systems, den Absprachen und den Abläufen zu tun. "Wir haben uns stetig weiterentwickelt. In der Art, wie wir Fußball gespielt haben, sind wir flexibler geworden in der Raumaufteilung und in der Abstimmung untereinander", resümierte Trainer Ole Werner vor dem Trainingsstart. Das häufig praktizierte 3-5-2 kann dabei immer wieder zum 3-4-3 werden. Ein "taktisches Update", das sich bezahlt macht: eine dynamischere Offensive, eine verbesserte Ballkontrolle sowie eine erhöhte defensive Stabilität.

In der Offensive haben die Norddeutschen viele ihrer Werte signifikant im Vergleich zur Vorsaison steigern können: Tore (1,73 Treffer pro Partie/plus 23 Prozent), Assists (1,33/plus 51 Prozent) und Torschussvorlagen (4,73/plus 27 Prozent) sowie Chancenverwertung (um 42 Prozent auf nun 17 Prozent).

Kontinuität macht sich bezahlt

Insgesamt haben die Bremer den Daten nach eine viel bessere Struktur in ihrem Spiel, was auch Kapitän Friedl so sieht: "Wir haben uns als Mannschaft gefestigt, sind insgesamt kompakter und auch variabler in unserem Spiel geworden." In Zahlen: Die Grün-Weißen haben mittlerweile knapp 50 Prozent Ballbesitz pro Partie (vergangene Saison keine 47 Prozent), mehr Ballaktionen im Angriffsdrittel (50/plus 4,7 Prozent) und sind auch in vielen Passstatistiken wie Schlüsselpässen, "smarten" Pässen oder, ganz generell, Offensivpässen deutlich besser als in der vergangenen Spielzeit.

Aus Friedls Sicht ist das keine Überraschung: "Als Team sind wir relativ gleich geblieben, es sind ein paar neue Spieler dazugekommen. Wenn der Stamm zusammenbleibt und du auf einem Gerüst aufbauen kannst, macht sich das auch in der Entwicklung bemerkbar. Hinzu kommt, dass wir seit Jahren mit dem gleichen Trainerteam zusammenarbeiten, das sich auch immer weiter entwickelt hat - und da sieht man, was daraus entstehen kann."

Viele Spieler in guter Verfassung

Dabei ist es nicht nur die Mannschaft, die insgesamt besser als Kollektiv agiert, sondern auch viele Spieler haben sich verbessert. Mitchell Weiser auf der rechten Seite etwa, der sowohl defensiv stabil steht, als auch seine offensiven Qualitäten besser eingebracht hat (Abschlüsse, Pässe, Kopfball) und auf seiner Position dem Performance-Score nach der zweitbeste Spieler der Liga ist.

Was ist der "Performance-Score"?

  • Tore, Pässe, Fouls, Schüsse oder auch Abseitspositionen: die Spiel-Basisdaten und weiterführende Analysen wie "Expected goals" oder "Action scores" werden beim "Performance-Score" durch einen Algorithmus in einen übergeordneten Kontext gesetzt - zum Beispiel positionsbezogen.
  • Beim "Performance-Score" sind alle Spieler zunächst einmal auf 0 gesetzt und werden anhand der reinen Leistungsdaten, kombiniert mit Datenmodellen, bewertet.
  • Damit liefert dieser Wert eine Einschätzung, wie gut oder schlecht ein Spieler aktuell spielt.
  • Der "Performance-Score" ist ein Baustein des GSN-Index, der wiederum eine generelle, langfristige Bewertung aller Fähigkeiten, Potenziale und Qualitäten eines Spielers ist.

Auch Romano Schmid im offensiven Mittelfeld, Stürmer Marvin Ducksch, der mit elf Punkten Top-Scorer ist, aber auch Jens Stage im zentralen Mittelfeld (mit sieben Treffern bester Torschütze) spielen deutlich stärker auf.

Problemfelder defensives Umschalten sowie Chancenverwertung

Bei allem Licht gibt es allerdings doch noch einige Schatten. Und die könnten, so die Daten, dafür sorgen, dass der Traum von Europa in dieser Saison noch unerfüllt bleibt. Das zumindest prognostizieren die GSN-Daten, denen zufolge der SVW am Ende mit 47 Punkten Zehnter wird.

Werner weiß um die Schwachstellen: "Wir müssen uns in einigen Bereichen verbessern, bei defensiven Umschaltmomenten oder bei der Chancenverwertung", sagte der 36-Jährige in der vergangenen Woche. Eine Analyse, die von den GSN-Daten bestätigt wird. Als potenziell problematisch könnte sich demnach auch das Thema Kaderbreite auswirken. Ein Umstand, den Kapitän Friedl in der Vergangenheit wiederholt thematisiert hatte.

"Es wird sehr viel an uns selbst liegen, wie weit es in diesem Jahr geht."
— SVW-Trainer Ole Werner

Abgesehen davon, liegt Werders Verbesserungspotenzial vor allem im Spiel und Umgang mit Führungen, der Laufintensität sowie einer generellen Erhöhung der Konstanz in den Leistungen. Immerhin dauerte es beispielsweise bis zum vierten Heimspiel, ehe beim 2:2 gegen Meister Leverkusen die ersten Tore im Weserstadion gelangen. In diesen Aspekten sind Entwicklungsschritte möglich - und nötig, soll es doch höher hinaus gehen.

Werner: "Ich verbiete niemandem die Träume"

"Ich verbiete niemandem die Träume", hatte der stets sehr sachliche Werner nach dem Sieg beim FC St. Pauli fast schon euphorisch gesagt. Die Tabelle sei sehr eng, "aber wir gehen in jedes Spiel, um zu gewinnen. Es wird sehr viel an uns selbst liegen, wie weit es in diesem Jahr geht."

Gelingt es den Grün-Weißen, an die gezeigten Leistungen der ersten 15 Partien anzuknüpfen, könnten sie die datenbasierte Prognose widerlegen und sich für einen europäischen Wettbewerb qualifizieren. Doch selbst wenn das nicht gelingen sollte, so die GSN-Experten, "bietet die Saison eine wertvolle Grundlage, um sich langfristig weiterzuentwickeln und den Traum von Europa in den kommenden Jahren anzugehen".

Werder Bremens optimale Aufstellung (3-4-3):

Zetterer - Friedl, Stark, Veljkovic - Köhn, Stage, Lynen, Weiser - Schmid, Ducksch, Njinmah

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 12.01.2025 | 22:50 Uhr