Bremens Oliver Burke

Bremen im Sturzflug Warum die sonst so heile Werder-Welt Risse hat

Stand: 02.03.2025 21:45 Uhr

Werder Bremen schwächelt und ist der schlechteste Fußball-Bundesligist des Jahres. Viele Fans haben die "Schnauze voll" von sich zoffenden Spielern und Missgunst im Team. Warum mündeten die Europacup-Hoffnungen an der Weser in eine handfeste Krise? Eine Analyse.

Von Andreas Bellinger

Werder ist im Sinkflug - und die Bremer Fans bringen es auf einen einfachen Nenner: "Wer dieses Trikot trägt, muss sich zerreißen." Es muss schon einiges passiert sein, wenn die "Green White Wonderwall" im Weserstadion bröckelt und die geduldigen Anhänger Willen, Kampf und Mentalität von ihrer Mannschaft derart vehement einfordern.

"Wir wissen, was wir an den Fans haben", sagte Mitchell Weiser kleinlaut. Gegen den VfL Wolfsburg (1:2) machte er das Tor für Werder, was die wütende Grundstimmung allerdings kaum milderte.

Binnen weniger Wochen sind die Grün-Weißen schließlich aus allen Träumen vom Europapokal gerissen worden. Nach der fünften Pleite am Stück - und nur einem Sieg in den zehn Pflichtspielen des neuen Jahres - ist die Euphorie der Hinserie verflogen. Frust, Ratlosigkeit und mitunter sogar Abstiegsangst machen sich breit. Auch, weil interne Streitereien und Eifersüchteleien die Stimmung trüben. Wie konnte es in der sonst notorisch heilen Werder-Welt so weit kommen?

"Eine Gruppe von Alphatieren"

"Wir sind eine Gruppe von Alphatieren", sagte Niklas Stark, der den verletzten Marco Friedl als Abwehrchef und Kapitän momentan vertritt. "Da ist es manchmal so, dass es Probleme gibt." Eine einfache Erklärung, die weder der Tragweite noch der Ernsthaftigkeit der entstandenen Defizite gerecht wird. Wenn sich Spieler auf dem Platz zoffen, muss das nicht zwingend dramatisch sein.

Wenn Spieler aber offensichtlich nicht mehr bereit sind, Fehler des Nebenmannes auszubügeln, wenn nicht mehr alle an einem Strang ziehen, geht es zu Lasten der Gruppe - und des Erfolgs. Wie es heißt, soll es gerade zwischen den erfahreneren Spielern rumoren.

ARD-Experte zur Werder-Krise: "Zeit für eine Kaderauffrischung"

Trainer Werner übt öffentlich Kritik

Cheftrainer Ole Werner deutete an, dass es Unstimmigkeiten schon in den vergangenen zweieinhalb Jahren seines Wirkens an der Weser gegeben habe: "Die kommen immer mal wieder, wenn die Ergebnisse ausbleiben." Neu - und der Dringlichkeit angemessen - ist allerdings der öffentliche Diskurs des 36-Jährigen. Wenn notwendige Dinge manchmal auch etwas härter angesprochen würden, habe er nichts dagegen. "Das ist manchmal sogar ganz gut. Entscheidend ist, dass man trotzdem auf dem Platz alles füreinander tut. Und bereit ist, den anderen, der einen Fehler gemacht hat, zu unterstützen."

Ungewohnt offene Töne am Bremer Osterdeich, die offenbar Wirkung zeigen. Die Mannschaft präsentierte sich im Duell der Pokal-Pleitiers gegen Wolfsburg - Werder hatte bei Drittligist Bielefeld verloren, der VfL in Leipzig - jedenfalls geeint. Mitunter sogar als Team. Dass ein dummer Fehler von Keeper Michael Zetterer und ein Traumtor des doppelt erfolgreichen Patrick Wimmer die Niederlage besiegelten, war unter dem Strich unglücklich. Ein weiteres vergeigtes Heimspiel zementierte zugleich aber, dass Werder nach nur fünf Punkten in neun Partien der schlechteste Bundesligist dieses Jahres bleibt.

Am 15. Spieltag, kurz vor Weihnachten 2024, waren die Grün-Weißen mit 25 Punkten noch Tabellen-Siebter. Jetzt, zehn Spieltage vor Ende der Saison, belegt Werder mit 30 Punkten Rang zwölf - 13 Zähler vor dem Relegationsplatz. 

Burke nach zwei Jahren wieder von Beginn an

"Heute war das Auftreten der Mannschaft positiv", erkannte Werner - trotz aller Unzulänglichkeiten im Abschluss gegen Wolfsburg - einen zarten Silberstreif am Horizont. Auch das Spielerische lobte er. "Das Einzige, was uns heute gefehlt hat, war, die gleiche Effektivität wie der Gegner." Tatsächlich erlebten die 41.152 Zuschauer im Weserstadion einen anderen, einen frischen Geist und Zusammenhalt in der Mannschaft, die nicht nur nominell einen anderen Eindruck hinterließ.

Der verletzte Marvin Ducksch wurde nach schwachen Leistungen in den vergangenen Wochen kaum vermisst. Neben dem zum fünften Mal wegen seiner Knie-Blessur fehlenden Friedl mussten auch die erkrankten Romano Schmid und Marco Grüll ersetzt werden. Einer der Nutznießer war Oliver Burke, der nach zwei Jahren mal wieder von Beginn an spielen durfte. Er brachte wie André Silva frischen Wind, obwohl auch sie wiederholt am bärenstarken "Wölfe"-Torhüter Marius Müller scheiterten.

Immer gleiche Strukturen, kaum veränderter Kader

Dennoch zahlte es sich aus, dass Werner - endlich! - mutiger aufstellte. Das Verharren in den immer gleichen Strukturen dürfte ein Schwachpunkt sein, den Fans und viele Kritiker beharrlich bemängeln. Dass Ducksch, um nur ein Beispiel herauszugreifen, in Topform unverzichtbar für Werder ist, dürfte jeder unterschreiben. Doch ein Ducksch in der Form der vergangenen Wochen ist kein Spieler, der den oft beschriebenen "Unterschied ausmacht".

Aber es ist nicht nur Ducksch, der auf rätselhafte Weise weit hinter seiner Normalform bleibt. Und das zeigt eine weitere Schwachstelle. Der Kader blieb vor der Saison weitgehend unverändert. Das zahlt auf etablierte Abläufe und Mechanismen ein, nicht aber auf neue Impulse und einen gesunden Konkurrenzkampf.

Fritz: Trainer Werner steht nicht zur Diskussion

Ein Kreativspieler als Pendant zu Romano Schmid wurde nicht geholt - oder konnte aus finanziellen Gründen nicht geholt werden. Die "Leihen" von Leipzig-Stürmer Silva und Issa Kaboré (Manchester City) waren ob der finanziellen Notwendigkeiten aus der Not heraus geboren. Wohlwissend, dass die Integration meist dauert, wie zuletzt bei Jens Stage und Senne Lynen erlebt.

Trainer Werner sitzt gleichwohl fest im Sattel. Bei allem Unmut bei den grün-weißen Anhängern, rüttelt bei Werder niemand an seiner Position. "Das Trainer-Thema können wir direkt zumachen", betont Geschäftsführer Clemens Fritz. "Er steht bei uns überhaupt nicht zur Diskussion." Dabei gehört zur Wahrheit, dass der Nachfolger von Frank Baumann im neuen Job ebenso unter Druck steht wie Peter Niemeyer, der Fritz' Job als Profifußball-Chef in dieser Saison übernommen hat.

Herkules-Aufgabe bei Meister Leverkusen

Überlegt, ruhig und gelassen hat der Schleswig-Holsteiner Werner in seinem ersten Jahr am Osterdeich den Aufstieg geschafft, und darauf folgende schwierige Phasen souverän gemeistert. Dass die derzeitigen Probleme und der drohende Niedergang an ihm nagen, ist dem Cheftrainer unter seiner Werder-Kappe nicht anzumerken.

Nun aber muss er beweisen, dass er eine verunsicherte Mannschaft aufrichten und zurück in die Erfolgsspur bringen kann. Trotz aller Widernisse mit Verletzungen, Formdellen sowie spielerischer und mentaler Mängel soll ihm das nun ausgerechnet am Sonnabend bei Meister Bayer Leverkusen (15.30 Uhr, im NDR Livecenter) gelingen. Eine Herkulesaufgabe.

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 02.03.2025 | 23:25 Uhr