Eintracht baut auf Emotionen Eintracht Frankfurt baut im DFB-Pokalfinale auf Emotionen: Club der großen Gefühle
Aus sportlicher Sicht ist Eintracht Frankfurt im DFB-Pokalfinale klarer Außenseiter. Dass die Hessen in großen Spielen immer wieder außergewöhnliche Leistungen zeigen, haben sie aber oft bewiesen. Beim Endspiel in Berlin spielt zudem "Sonny" eine besondere Rolle.
Bis 20 Minuten vor Schluss plätscherte das Heimspiel von Eintracht Frankfurt gegen den SC Freiburg am vergangenen Samstag so dahin. Die Gäste aus dem Breisgau führten mit 1:0 und wähnten sich auf dem Weg in die Champions League, ein Großteil der Fans verfolgte auf der Tribüne über zahlreiche Liveticker den spannenden letzten Bundesliga-Spieltag und freute sich schon mal aufs Finale im DFB-Pokal. Bundesliga? Auch egal. Aber dann passierte es.
Als auf dem Videowürfel der Treffer von Hertha BSC zum 2:1 in Wolfsburg eingeblendet wurde, ging plötzlich das gesamte Stadion aus den Sitzen. Die Teilnahme am Europapokal war vom einen auf den anderen Moment möglich und nur noch zwei Tore entfernt, der laue Sommerkick auf dem Rasen entwickelte sich innerhalb von Sekunden zu einem Endspiel. Die Eintracht, vorher doch sehr träge unterwegs, saugte die Energie von den Rängen auf und zeigte plötzlich ihr Final-Gesicht. Wenige Minuten später stand es 2:1.
Vier Endspiele in sechs Jahren
Es sind Emotions-Explosionen wie diese, wenn Fans und Mannschaft zu einer Einheit verschmelzen, die die Eintracht auszeichnen und in besonderen Momenten zu besonderen Leistungen pushen. Im Bundesliga-Alltag, das ist inzwischen fast zur Tradition geworden, fehlten in den vergangenen Monaten und Jahren hier und da die letzten Prozent für die ganz großen Erfolge. In Pokal-Wettbewerben mit K.o.-Spielen und echten Finals ist die Eintracht aber zur Stelle. Die Frage nach Alles oder Nichts beantworteten die Hessen in jüngster Vergangenheit meist mit: Alles!
Das Finale am Samstag in Berlin ist das vierte Endspiel innerhalb von sechs Jahren. Nach dem furiosen Erfolg in der Europa League im vergangenen Mai könnte in Frankfurt auch in diesem Sommer schon wieder ein Titel bejubelt werden. Die Eintracht, im echten Leben eine Mannschaft für das vordere Tabellen-Mittelfeld, wächst in Pokal-Wettbewerben regelmäßig über sich selbst hinaus und hat deshalb auch gegen die deutlich talentiertere Truppe aus Leipzig eine realistische Chance. "Es gibt keinen anderen Club, der eine solche Wucht entfalten kann", fasste Vorstand Axel Hellmann diese besondere Gabe im vergangenen Jahr zusammen.
Feste müssen gefeiert werden
Ob im Pokalfinale 2018 gegen den FC Bayern, dem vielleicht emotionalsten Spiel der Frankfurter Vereinsgeschichte, in der furiosen Europa-League-Saison 2018/19, die erst im Halbfinale endete, oder dem wilden Ritt durch Europa in der vergangenen Spielzeit: Die Eintracht schaffte es trotz fußballerischer Unterlegenheit immer wieder, sich an sich selbst zu berauschen und klar bessere Teams aus dem Weg zu räumen. Das Erfolgsgeheimnis dabei: Die Hessen sehen die großen Spiele als das, was sie sind: Fußballfeste. Und diese Feste müssen gefeiert werden.
Ein in weiß gekleidetes Berliner Olympiastadion, 30.000 Frankfurter in Barcelona, eine ganze Stadt im Eintracht-Fieber. Die aus der Physik bekannte Äquivalenz zwischen Masse und Energie lässt sich regelmäßig auch in Frankfurt beobachten. "Keiner hat 2018 dran geglaubt. Nur ganz wenige haben uns zugetraut, die Europa League zu gewinnen", beschrieb auch Kevin Trapp am Dienstag das Phänomen Eintracht Frankfurt. "Wir wissen aber, welche Energie sich in diesem Verein entwickeln kann. Dadurch sind wir in der Lage, ganz große Spiele zu bestreiten und Erfolge zu feiern." Leidenschaft, Begeisterung und Hingabe schlagen Qualität. Die Kraft der Emotionen.
Geburtstagsfeier für Sonny?
Nun ist es fast schon ein Ärgernis, dass die Hessen in Pokal-Wettbewerben dank ihres Pokal-Gens immer wieder für Fußball-Feiertage sorgen, gleichzeitig aber in der Bundesliga hinterherhinken. Die verpassten Chancen und die Sieglos-Serie inklusive der Trennung von Trainer Oliver Glasner werden am Samstag (20 Uhr) gegen RB Leipzig aber keine Rolle mehr spielen. Die Eintracht hat den zweiten Titelgewinn innerhalb von zwei Jahren vor Augen und könnte zudem nebenbei wieder einmal eine dieser ganz besonderen Geschichten schreiben.
Das DFB-Pokalfinale am Samstag (20 Uhr) gibt es als Vollreportage bei hr-iNFO zu hören. Auch sportschau.de bietet einen Audio-Livestream sowie einen Liveticker zum Spiel an. hr1 hält sie zudem bereits ab 19 Uhr in einem heimspiel! extra auf dem Laufenden.
Nachdem sie den Europa-League-Titel im vergangenen Jahr der wenige Wochen zuvor verstorbenen Vereins-Legende Jürgen Grabowski gewidmet hatte, spielen die Hessen in diesem Jahr in Gedenken an ihren langjährigen Fan Helmut "Sonny" Sonneberg. Der Holocaust-Überlebende, der als 13-Jähriger nach Theresienstadt deportiert worden war, war im Februar im Alter von 91 Jahren gestorben. Am Sonntag, dem Tag, an dem der große Pokalsieger-Empfang auf dem Römerberg steigen soll, hätte er Geburtstag gehabt.