Vorfall im August 2023 Schuss vor Augsburger Stadion: Bewährungsstrafe für Polizisten
Verschwiegenheit unter Polizei-Kollegen, ein Staatsanwalt in Rage: Der Prozess um den Schuss aus einer Dienstwaffe in einen vollbesetzten Polizeibus vor dem Augsburger Stadion machte Schlagzeilen. Er endet mit einer Bewährungsstrafe für den Schützen.
Es begann mit einer Wasserschlacht und endete mit einem Schuss aus einer Polizeiwaffe, der um ein Haar einen anderen Polizisten getötet hätte. Das Augsburger Landgericht hat den Schützen - einen 28 Jahre alten Polizisten - deshalb zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt - wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt. Zudem muss er 5.000 Euro an eine wohltätige Vereinigung spenden.
"Es gab eine maximale Gefährdungslage", so der Vorsitzende Richter Christoph Kern in seiner Urteilsbegründung: "Sowohl der Personen im Auto als auch außerhalb. Das Spiel war gerade vorbei, es war jederzeit damit zu rechnen, dass Zuschauer kommen. Das erhöht die Gefahr der Tat immens", so Kern weiter. Dass die Tat nicht vorsätzlich war, daran sei "nicht ansatzweise zu denken".
Maximilian K. legt an und schießt
Die Geschichte dieses aufsehenerregenden Falls beginnt am 19. August 2023. Im Augsburger Stadion spielt Augsburg gegen Mönchengladbach. Und vor dem Stadion liefern sich Maximilian K. und drei seiner Beamtenkollegen eine Wasserschlacht. Über Stunden hinweg besprühen sie sich mit Wasserpistolen.
Als sich Maximilian K. und ein Kollege für eine neue Wasserattacke an einen Polizeibus anpirschen, eskaliert plötzlich die Situation. Maximilian K. zieht seine Dienstwaffe aus dem Holster, legt an, und feuert in den Bus, in dem vier seiner Kollegen sitzen. Diese erleiden Knalltraumata, einer wird durch Glassplitter im Gesicht verletzt. Nur um Zentimeter verfehlt die Kugel den Kopf eines Beamten.
Wie der Polizist seinen Schuss schildert
Der Angeklagte hatte stets betont, an den Schussvorgang keine Erinnerung mehr zu haben. Er habe lediglich das Wort "Beschuss" in seinem Kopf gehabt, instinktiv reagiert, einen Knall gehört und dann seine Waffe in seiner Hand gesehen. An mehr könne er sich nicht mehr erinnern.
Eine Schilderung, der das Gericht schon im Prozess wenig Glauben schenkte: "Die Blackout-Version kommt bei uns tagtäglich vor", so der Vorsitzende Richter Christoph Kern. "Das ist völlig ungewöhnlich, sich an Details davor, danach und dazwischen zu erinnern, aber an sonst nichts." Von einem "Beschuss" zu sprechen, "ist derart konstruiert", so Richter Kern bei der Urteilsverkündung.
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Erfolgte der Schuss "instinktiv"?
Doch könnte "instinktiv" nicht auch bedeuten, dass Maximilian K. unbewusst ein trainiertes Schuss-Programm automatisch abspulte? Womöglich, weil die Wasserpistole in der Hand eines Kollegen im Bus von Maximilian K. als Gefahr erkannt wurde? Ein Ausbilder des USK (Unterstützungskommando der bayerischen Polizei) hält das für völlig unrealistisch. Und auch der psychiatrische Gutachter hält diese Version für sehr unwahrscheinlich. Das Gericht sieht es genauso. Das Verhalten des Angeklagten werde so niemals trainiert. Es gebe daher also auch kein strukturelles Problem bei der Ausbildung der USK-Beamten.
Viel Kritik gab es im Lauf des Prozesses an den vier Polizisten, die in dem Bus saßen. Mit Nachdruck hatten Richter Kern und Oberstaatsanwalt Michael Nißl die Beamten zum Tathergang befragt. Doch je näher die Fragen an den Vorfall rückten, umso größer wurden die Gedächtnislücken der Polizeibeamten. Sei es was die Wasserschlacht anbelangt, sei es eine mögliche zweite gezogene Dienstwaffe im Vorfeld des Schusses, sei es der Schuss des Angeklagten selbst.
Richter und Staatsanwalt attackieren Polizei-Zeugen
Ein LKA-Beamter erklärte unumwunden, bei einer vorherigen Befragung von den Zeugen belogen worden zu sein. Einem Polizisten drohte der Richter sogar mit einem Haftbefehl noch im Gerichtssaal, sollte sich seine Aussage im Zuge der Befragung als unwahr herausstellen - was aber nicht der Fall war. Denn in den entscheidenden Punkten gab es keine unterschiedlichen Aussagen der Polizisten. "Ich kann mich nicht erinnern", war der Satz, der in dem Prozess wohl am häufigsten gefallen ist.
Oberstaatsanwalt Nißl sprach von Polizisten als Zeugen, die "erkennbar bemüht sind, zu mauern und wenig zur Aufklärung beizutragen". Sie hätten dafür alle ein Motiv gehabt: "Weil sie entweder mehr als bekannt an der Wasserschlacht beteiligt waren, oder sich nicht gegenseitig beschuldigen wollten". Nißl spricht von "desolatem Aussageverhalten", wollte sich von den Zeugen "nicht verseppeln" lassen. Das könne man dem Angeklagten aber nicht anlasten, dem Nißl jedoch "Totalversagen" und ein "unentschuldbares, unfassbares Handeln" vorwarf.
Letzte Worte des Schützen
In seinen letzten Worten sagte Maximilian K, dass es für ihn frustrierend sei, selbst keine plausible Erklärung für seinen Schuss liefern zu können - auch um den Prozess "würdevoller für meine Kollegen" zu gestalten. "Wahrscheinlich wird in ganz Deutschland über mein Fehlverhalten diskutiert. Bei meinen Kollegen habe ich mich schon entschuldigt. Nun möchte ich mich noch beim Fanclub aus Gladbach entschuldigen", dessen unbesetzten Bus seine Kugel ebenfalls getroffen hatte.
In einer schriftlichen Erklärung gab er an, nunmehr unfähig für den Dienst an der Waffe zu sein. Er beantragte deshalb seinen Wechsel in den Innendienst. Künftig wolle er sich dort unter anderem den polizeilichen Finanzen widmen. Doch daraus wird wohl nichts, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Bei einer Strafe von über einem Jahr - und das gilt auch bei Bewährungsstrafen - wird ein Beamtenverhältnis beendet. Maximilian K. wird sich dann einen neuen Beruf suchen müssen.