Bayern Münchens Taktik System Kompany - völlig losgelöst von fixen Positionen
Die Saison ist noch jung, doch die Handschrift Vincent Kompanys ist beim FC Bayern schon erkennbar. Der neue Trainer schiebt seine Spieler dorthin, wo er sie braucht. Die großen Probleme löst das aber bislang nicht.
Der Begriff "Rollenverteilung" war im EM-Sommer in aller Munde. Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte immer wieder auf die genauen Rollen, die jeder einzelne Spieler bekommen hatte, hingewiesen. Vorbild war damals die weltmeisterliche deutsche Basketball-Nationalmannschaft. Das Ziel war, ein gesundes Mannschaftsgefüge zu schaffen und möglichst harmonisch durch das Turnier zu kommen.
Die EM ist vorbei, die Nationalmannschaft tritt wieder ein wenig in den Hintergrund, der Bundesliga-Alltag ist bereits in vollem Gange. Doch der Begriff der "Rollenverteilung" bleibt. Zumindest an der Säbener Straße in München wird er aller Voraussicht nach während dieser Saison immer zu hören sein. Allerdings weniger mit Blick auf die Teamchemie - die selbstverständlich beim FC Bayern auch ein ziemlich komplexes Konstrukt ist - sondern mit Blick auf die Taktik des neuen Trainers Vincent Kompany.
Angriffsspiel des FC Bayern: Münchner Zahlenspiele
Im Fußball werden die recht statischen Rollen der einzelnen Positionen immer wieder aufgeweicht. Von "polyvalenten" Spielern sprach Lucien Favre schon vor mehr als zehn Jahren. Doch so, wie Kompany seine Spieler auf das Feld schickte, war dort eine Weiterentwicklung dieser Idee zu sehen. Je nach Situation änderten sich Positionen, die die einzelnen Spieler besetzten, schlagartig.
In der Defensive, wo der FC Bayern gegen den SC Freiburg selten gefordert war, sah man meistens eine Vierer- oder eine Fünferkette mit Serge Gnabry als Aushilfsrechtsverteidiger. In der Offensive änderte die Mannschaft von Kompany oft, so dass am Ende fast jede mögliche Zahlenkombination einmal zu finden war: 3-3-4, 3-1-3-3, 3-2-5, 2-3-5, 3-4-3. Kurz gesagt: Der FC Bayern verschob sehr viel, passte sich je nach Angriffssituation und Spielphase an, versuchte so den Gegner aus dem Konzept zu bringen und so die Stärken der eigenen Spieler auszuspielen.
Kimmich: Eine Mischung aus Rechtsverteidiger und Mittelfeld-Regisseur
Am anschaulichsten war das am Bewegungsradius Joshua Kimmich zu beobachten, was manche Experten zu dem Schluss kommen ließ: "Der macht, was er will". Dabei hielt sich der 29-Jährige an einen strikten Plan. Nominell als Rechtsverteidiger aufgestellt, initiierte Kimmich im Ballbesitz den Spielaufbau, und war eigentlich in der Defensive kaum zu finden - ähnlich wie Pep Guardiola es einst seinen zentralen Mittelfeldspielern auftrug. Den Platz, den Kimmich auf der rechten Seite freiließ, besetzte dann Gnabry, der mit einer hohen Arbeitsrate offensiv wie defensiv den Flügen beackerte und dadurch Michael Olisé den nötigen Raum für seine Hybrid-Rolle als hängende Spitze und Rechtsaußen ermöglichte.
Musiala und Kane: Überall und nirgendwo
Auch Pavlovic ließ sich immer wieder zwischen die Innenverteidiger fallen, oder kippte nach links ab, um - frei nach Toni Kroos - von dort das Spiel zu eröffnen. Wenn der Ball weit in der gegnerischen Hälfte war, besetzte er häufig als einziger das defensive Mittelfeld und sicherte damit auch Kimmich ab, den es weiter nach vorne zog. Jamal Musiala bewegt sich je nach Ballposition relativ frei durch das Zentrum, wo er regelmäßig Harry Kane begegnete, der sich von der Position im Sturmzentrum häufig verabschiedete, um sich Bälle zu holen und an Kollegen weiterzugeben. Das Resultat: viele lange Bälle, aber kaum Torschüsse des Stürmers.
Neue Taktik, alte Probleme: Die Ballverluste bleiben
Ob Pep Guardiola, Thiago Motta oder Fabian Hürzeler - die immer variableren Rollen der Spieler auf dem Feld sind eine Entwicklung, die bei vielen Trainern derzeit zu beobachten sind. Ob Vincent Kompany damit auch in München Erfolg hat, bleibt abzuwarten.
Gegen Freiburg ging die Taktik der Münchner voll auf. Am ersten Spieltag bewies der VfL Wolfsburg dagegen eindrucksvoll, wie anfällig der FC Bayern auf starkes Pressing ist und wie nervös die Innenverteidiger Min-Jae Kim und Dayot Upamecano mit dem Ball am Fuß werden, wenn die Passwege zu den ballsicheren Außenverteidigern und Mittelfeldspielern zugestellt sind. Probleme, die, ganz unabhängig von Taktik und Positionsspiel, den Zuschauern in der Münchner Arena aus vergangenen Jahren bestens bekannt sind.