
Knebelverträge für Berichterstatter Journalisten-Organisationen beklagen Beschränkungen durch die WADA
Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA verlangt von Journalisten, Knebelverträge zur Einschränkung der Berichterstattung zu unterschreiben. Harsche Kritik folgte umgehend, und nicht nur deswegen steht der WADA eine ungemütliche Woche bevor.
Kommende Woche lädt die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) alle Beteiligten am Anti-Doping-Kampf zum jährlichen Symposium. Es droht eine unangenehme Veranstaltung zu werden für die Organisation, die eigentlich dafür sorgen soll, dass dem Sportbetrug Einhalt geboten wird, die aber zuletzt vor allem mit erstaunlicher Milde gegenüber positiv auf Dopingmittel Getesteten auffiel.
Als wären die so ausgelösten Krisen noch nicht genug, hat die WADA vor ihrem Jahrestreffen einen Versuch gestartet, Journalisten zu gängeln und kritische Berichterstattung aus Lausanne in der kommenden Woche zu verhindern. Akkreditierte Journalisten sollten als Zulassungsvoraussetzung einen zweieinhalb Seiten langen Knebelvertrag unterschreiben.
Bei Verstoß droht Rauswurf
"Journalisten sollten es vermeiden", hieß es da in teilweise schwammigen Benimmregeln, "unangemessene Kommentare über die Veranstaltung, die Redner oder andere Teilnehmer abzugeben." Bei einem Verstoß droht der Rauswurf. Anders als in früheren Jahren sollten Fernsehdrehs nur in einem engen Zeitfenster und in streng limitierten Bereichen stattfinden.
Internationale Journalisten-Organisationen beschweren sich offiziell über die Gängelei. Der Bedingungskatalog sei "inakzeptabel", schrieb der Präsident des Weltsportjournalistenverbandes AIPS, Gianni Merlo aus Italien, in einer der ARD-Dopingredaktion vorliegenden Protestnote an WADA-Generaldirektor Olivier Niggli. Er fühle sich "erinnert an die dunklen Zeiten der Zensur". Merlo warnte: "Ich fordere Sie dringend auf, die Akkreditierungsanforderungen zu überarbeiten und unsere Arbeit zu respektieren, denn die Schranke, die Sie uns auferlegen wollen, steht der Pressefreiheit entgegen und kann als Versuch, etwas zu verbergen, missverstanden werden."
"WADA kopiert größere Sportorganisationen"
Der ARD-Dopingredaktion sagte Merlo: "Wir müssen dagegen protestieren und uns gegen diese Art von Situation wehren. Das ist völlig inakzeptabel. Das schlechte Vorbild anderer internationaler Verbände oder größerer Sportorganisationen hat die Möglichkeit geschaffen, dass die WADA sich so verhält. Das ist nur die Konsequenz einer Welt, die versucht, uns an unserer Arbeit zu hindern. Die WADA kopiert die Situation, die in vielen internationalen Verbänden an der Spitze herrscht, die immer versuchen, den Zugang von Journalisten zu vielen Veranstaltungen zu beschneiden."
Auch der deutsche Sportjournalistenverband VDS verfasste einen Beschwerdebrief an die WADA. Darin schrieb sein Präsident André Keil: "Der Versuch, die Berichterstattung im Voraus zu beeinflussen, ist inakzeptabel. Die Bedingungen, die Sie den Medienvertretern diktieren, widersprechen den Grundprinzipien der Meinungs- und Pressefreiheit. Wir verurteilen entschieden die angedrohten Einschränkungen der Berichterstattung."

Die Nachrichtenagentur Reuters hat im vergangenen Jahr einen Artikel zurückgezogen, der als Unterstützung für die WADA angesehen wurde. Reuters hatte zuvor zugeben müssen, dass einer ihrer Journalisten dem WADA-Kommunikationsdirektor James Fitzgerald - dem Mann, der für die Versendung der neuesten "Bedingungen" an die Medien verantwortlich war - die Teilnahme am Masters-Golfturnier in Augusta als akkreditierter Journalist ermöglicht hatte.
Heimliche Vorzugsbehandlung
Die Vorgänge werfen erneut ein schlechtes Licht auf die WADA, da sie sich nahtlos in das Bild einfügen, dass die Agentur im vergangenen Jahr hinterlassen hat. Mehrere Krisen haben den Ruf der Anti-Doping-Jäger nachhaltig ramponiert. Im vergangenen Jahr brachten Recherchen der ARD-Dopingredaktion ans Licht, dass 23 chinesische Schwimmer nach positiven Dopingtests heimlich eine Vorzugsbehandlung erhielten: in China freigesprochen wegen angeblicher Kontamination, nicht einmal provisorisch gesperrt, wie es die Regeln verlangen. Alles mit dem Segen der WADA.
Vor wenigen Wochen erschütterte die WADA dann mit der Handhabung eines Falles im Tennis erneut das weltweite Vertrauen in für alle Athleten gleichermaßen geltende Regeln: Nach zwei positiven Dopingproben ließ die WADA den Weltranglistenersten Jannik Sinner mit einer Mini-Sperre davonkommen. Er verpasst kein einziges wichtiges Turnier. Angeblich wurde auch er Opfer einer Kontamination.
Schützen Ruhm und Reichtum?
In der Tennis-Szene herrscht Entrüstung, da andere, weniger bekannte Profis nicht so glimpflich davonkamen. "Die Mehrheit der Spieler hat das Gefühl, dass es Bevorzugung gibt", kritisierte der serbische Superstar Novak Djokovic, "es hat den Anschein, man könne das Ergebnis beeinflussen, wenn man Spitzenspieler ist, Zugang zu den besten Anwälten hat. Die Inkonsequenz frustriert alle Spieler."

Auch Fachleute aus anderen Sportarten wie der langjährige Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Clemens Prokop, beklagen gravierende Folgen des WADA-Vorgehens. "Das Problem dabei ist, dass die WADA eigentlich eine riesige Aufgabe hat, nämlich für die Glaubwürdigkeit des Sports zu kämpfen, für die Glaubwürdigkeit der Chancengleichheit", sagte Prokop der ARD, "und wenn die WADA durch spektakuläre Entscheidungen, die scheinbar mit diesem Ziel nicht in Einklang stehen, sich da selbst der Glaubwürdigkeit teilweise beraubt, dann ist es ein Problem für den gesamten Sport."
Widerstand formiert sich
Insider der Anti-Doping-Community gehen davon aus, dass in Lausanne in der kommenden Woche über die schwierige Lage diskutiert wird. Schon im vergangenen Jahr hatten sich 18 nationale Anti-Doping-Agenturen zusammengeschlossen, um unter Mitwirkung der deutschen NADA seit dem China-Fall Widerstand zu organisieren. "Grundsätzlich haben wir festgestellt, dass die Art und Weise, wie die WADA mit diesem Fall umgegangen ist, wie sie ihn kommuniziert hat, für die Anti-Doping-Arbeit schwierige bis schlechte Folgen ausgelöst hat", sagt Lars Mortsiefer, Vorstand der Nationalen Anti-Doping-Agentur der ARD, "es ist ein Vertrauensverlust entstanden im Umfeld der Olympischen Spiele, der bis heute nachwirkt. Für uns ist die Aufklärung immer noch nicht so, dass wir das unseren Athletinnen und Athleten in unserem jeweiligen Land erklären können."
Mortsiefer beschreibt die unmittelbaren Folgen der WADA-Krisen auf seine Arbeit: "Bei jedem Fall, bei jeder Veranstaltung hören wir: 'Aber die Chinesen, die wurden doch anders behandelt.' Und dementsprechend ist das etwas, was weiter nachhallt und dementsprechend uns auch darin bestärkt, weiterhin Antworten zu fordern. Nur klare, transparente Antworten können dieses Vertrauen wieder herstellen."