Verfahren vor dem CAS Dopingfall Walijewa sorgt für internationale Kritik
Der Sportgerichtshof CAS verhandelt ab Dienstag den Dopingfall Walijewa hinter verschlossenenen Türen. Internationale Athletenvertreter befürchten Hinterzimmerdeals.
Schon bevor die Juristen zusammenkommen, um endlich über das Schicksal der russischen Eiskunstlauf-Hoffnung Kamila Walijewa zu entscheiden, wächst der Druck. Ab dem kommenden Dienstag findet in Lausanne vor dem Weltsportgerichtshof CAS das Dopingverfahren um den im Dezember 2021 positiv auf das Dopingmittel Trimetazidin getesteten Jungstar statt.
Drei Tage sind für das spektakuläre Verfahren zunächst vorgesehen, der Freitag kann kurzfristig noch hinzukommen. Die beschuldigte Athletin Walijewa selbst, inzwischen 17 Jahre alt, wird nicht aus Russland anreisen, sondern nur per Video zugeschaltet, ebenso wie die Zuständigen der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA.
Das Verfahren findet nicht-öffentlich statt. Das Ansinnen amerikanischer Athleten, die in Lausanne als Zuhörer zugelassen werden wollten, wurde abgelehnt. Dabei waren sie bei Olympia in Peking davon betroffen, dass Walijewa trotz einer positiven Dopingprobe antreten durfte. "Warum lässt der CAS kein offenes und transparentes Verfahren zu, damit der Gerechtigkeit genüge getan werden kann?", zürnt der Generaldirektor der Athletenvereinigung Global Athlete, Rob Koehler, "diese Athleten haben das meiste zu verlieren, sie sollten zuhören dürfen, damit es keine Hinterzimmerdeals geben kann."
"Rechtsprechung verzögert, Gerechtigkeit verweigert"
Wie lange die drei CAS-Schiedsrichter nach den bis zu vier Anhörungstagen brauchen, sich auf ein Urteil zu einigen, ist offen. Gesichert ist, dass das Verfahren weltweit argwöhnisch beäugt wird: In Russland befürchten sie, ihre junge Hoffnungsträgerin könnte als Sündenbock herhalten müssen. In vielen anderen Ländern der Welt stehen der CAS und das Internationale Olympische Komitee, das ihn einst gründete, wegen einer übermäßig Russland-freundlichen Ausrichtung ohnehin in der Kritik.
"Im Großen und Ganzen wird die Rechtsprechung verzögert, Gerechtigkeit verweigert", klagt Koehler, einst selbst hochrangiger Mitarbeiter der Welt-Anti-Doping-Agentur, "das IOC und alle anderen Stakeholder haben ständig einen Kotau vor Russland gemacht. Der CAS hat die WADA-Sanktionen verwässert und auch Walijewa weiter antreten lassen nach ihrer positiven Dopingprobe."
Gegenstand des Verfahrens sind Anträge des Eiskunstlauf-Weltverbandes ISU und der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Sie wollen, dass Walijewa für vier Jahre wegen eines Dopingvergehens gesperrt wird und fechten, wie auch die RUSADA selbst, die Entscheidung der RUSADA-Anti-Doping-Kommission an. Dieses Gremium hatte im vergangenen Dezember zwar den positiven Dopingtest Walijewas als Dopingverstoß anerkannt, aber behauptet, Walijewa habe "ohne Schuld oder Fahrlässigkeit" gehandelt. Deswegen hatte die Anti-Doping-Kommission der RUSADA von einer Sperre abgesehen.
Der Fall Walijewa hatte die Olympischen Winterspiele in Peking 2022 schwer belastet. In einer Zeit, in der die Russen nach dem systematischen Staatsdoping nur als neutrale Athleten antreten durften und ihre Sportbosse um die Wiedergewährung der vollen nationalen Rechte kämpften, überschattete ausgerechnet der Dopingfall der Russin Walijewa die Spiele in China.
Die Lehren aus dem Pechstein-Fall
Für Kritik sorgte schon, dass die Auswertung der bereits am 25. Dezember 2021 bei den russischen Meisterschaften genommenen Urinprobe Walijewas, einer potenziellen Medaillengewinnerin, erst fast zwei Monate später während der Olympischen Spiele abgeschlossen und publik wurde. Walijewa war positiv auf das verbotene Herzmittel Trimetazidin getestet worden.
Weil das Mittel Blutfluss und damit Ausdauer steigern kann, wurde es 2014 auf die WADA-Verbotsliste gesetzt. Walijewas Verteidigungsstrategie beruhte darauf, sie habe wohl aus einem Glas getrunken, das ihr kranker Großvater angeblich zuvor für das von ihm benutzte Herzmittel verwendet habe.
Die Entscheidung des CAS ist letztlich bindend. In seiner Pressemitteilung zum Verfahren verweist das Gericht lediglich auf die Möglichkeit der Parteien, nach dem Schiedsspruch wegen "begrenzter verfahrensrechtlicher Gründe", also formaler Verstöße, nicht inhaltlicher Überprüfungen, binnen 30 Tagen den Fall vor das Schweizer Bundesgericht zu bringen.
Allerdings könnte der CAS-Schiedsrichter, den die Walijewa-Seite für das Verfahren ausgewählt hat, schon darauf hindeuten, dass der juristische Spielraum durchaus darüber hinausgehen und ausgeschöpft werden könnte: Der Pariser Professor für Öffentliches Recht, Mathieu Maisonneuve, hat sich wiederholt in Aufsätzen mit dem Kampf der deutschen Eisschnellläuferin Claudia Pechstein durch die Instanzen und vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg befasst.
Kaum ein Athlet vor Pechstein hatte dem CAS ähnlich schmerzhaft vorgeführt, dass seine Rechtsprechung - ganz entgegen seinem Allmacht-Selbstverständnis - nicht das Maß aller Dinge sein muss. Pechsteins Anwälten war es gelungen, ihr CAS-Verfahren anschließend nicht nur in Straßburg, sondern anschließend auch vor deutschen Gerichten überprüfen zu lassen.
So konnten sie höchstrichterlich feststellen lassen, dass die Statuten des CAS gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen. Und sie legten schließlich auch erfolgreich Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein: Das hob ein - eigentlich letztinstanzliches - Urteil des Bundesgerichtshofs auf.