Kapitän der Hockey-Nationalmannschaft Mats Grambusch - "Heim-EM soll auf und neben dem Platz Erfolg bringen"
Mats Grambusch, Kapitän der deutschen Hockey-Nationalmannschaft und Spieler bei Rot-Weiß Köln, spricht im Interview mit der Sportschau über den WM-Sieg in Indien, den Rückrundenauftakt in der Bundesliga und die Ziele für die anstehende Europameisterschaft in Mönchengladbach.
Sportschau: Herr Grambusch, wann endete die letzte Siegesfeier zum WM-Titel in Indien?
Mats Grambusch: (lacht) Zum Abschied haben wir uns mit der Mannschaft ein Haus im Zillertal gemietet und waren gemeinsam spontan Skifahren. Da waren dann auch die letzten Festivitäten.
Nach dem Sieg haben Sie gegenüber der Sportschau gesagt, der Erfolg sei "gigantisch" für den Hockey-Sport in Deutschland: Wie hat sich die öffentliche Wahrnehmung des Hockeys seit dem WM-Sieg geändert?
Grambusch: Ich kann jetzt nur für mich in Köln sprechen, aber es ist definitiv so, dass wir hier im Umfeld eine Menge Einladungen bekommen haben und viele coole Events besuchen durften, bei denen wir gut netzwerken konnten. Auch die Medien sind präsenter, wir haben mehr und mehr Aufkommen bei den Spielen und zwischendurch einige Anfragen.
Für die Nationalmannschaft gibt es, auch mit Blick auf die Heim-EM, deutlich mehr Sponsorenanfragen. Mich würde es freuen, wenn dieser Effekt dann auch auf die Nachwuchsarbeit abperlt. Und mehr Jungs und Mädels sagen: "Hey, das interessiert mich, sieht nach einem coolen Sport aus, ich fang jetzt hier mal in meinem lokalen Klub mit Hockey an."
Die Vorbereitungen für die EM laufen bereits: In der FIH Pro League verlor die deutsche Auswahl jüngst drei der vier Partien in Indien. Sie selbst standen nur bei zwei Spielen auf dem Rasen. Cheftrainer André Henning hatte bereits im Vorfeld angekündigt, ein paar Neulingen Spielzeit zu geben. Welches Fazit haben Sie aus den Partien gezogen?
Grambusch: Dass wir dort nicht vier Siege in vier Spielen holen, war uns bewusst. Wir hatten einen dezimierten Kader, da wir keine Profi-Sportler sind, sondern viele Jungs noch ihren beruflichen Verpflichtungen nachkommen mussten und dementsprechend die Reise nicht antreten konnten. Nichtsdestotrotz war eine schlagkräftige Truppe vor Ort und wir hätten sicherlich mehr als einen Sieg holen können.
Einige Youngster konnten viel Einsatzzeit verbuchen, wie wichtig ist es, als junger Spieler auf dieser Bühne Erfahrung zu sammeln?
Grambusch: Enorm wichtig! Es konnten sich echt einige Jungs zeigen. In der Pro League misst man sich mit guten Gegnern und spielt auf hohem Niveau. Wir haben dort in Indien in drei der vier Partien vor 20.000 Zuschauern gespielt. Für einen jungen Spieler ist auch das eine wichtige Erfahrung, vor so einer Kulisse zu spielen. Das ist für uns nicht alltäglich.
Sie selbst haben im Teenager-Alter in der ersten englischen Liga gespielt, welche Lehren haben Sie in der Zeit gesammelt?
Grambusch: Ich habe dort bei East Grinstead in der Premier League gespielt. Das war eine erfahrene Truppe, wo dann natürlich einige Spieler zehn, zwölf Jahre älter waren als ich. Das war für mich sehr lehrreich. Ich wurde da ins kalte Wasser geworfen und für den Schritt vom Jugend-Hockey zum Herren-Hockey war das eine sehr positive Erfahrung.
Im Fußball wird gerne von englischer Härte gesprochen, wie unterscheidet sich das Hockeyspielen in England zur Bundesliga in Deutschland?
Grambusch: Der Ligabetrieb beginnt dort im November und endet im März. Da spielt man dann teilweise gefühlt auf Eisplatten und Sonnenstrahlen beim Training oder in Spielen sind rar. Das hat dann schon eine gewisse Grundhärte. Im Spiel selbst gibt es aber keine großen Unterschiede. Die Jungs geben Gas und bleiben fair, selbst wenn es in den Spielen mal zur Sache geht.
Nach ihrem England-Aufenthalt ging es zurück zu ihrem Kindheits-Verein Gladbacher HTC. Zwei Jahre später folgte der Wechsel zu Rot-Weiß Köln, für das Sie bis heute auf dem Platz stehen. Wie hat sich Ihr eigener Spielstil entwickelt?
Grambusch: Das muss man eigentlich wen anders fragen (lacht). Ich denke, ich bin ein ziemlich flexibel einsetzbarer Allrounder und tendenziell eher offensiv ausgerichtet. Ich bin kein Spezialist in einem bestimmten Bereich, ich mach viele Dinge ganz ordentlich. Wenn ich eine Stärke nennen müsste, dann das Dribbling und meinen strategischen Kopf.
Vielleicht kann man ja ihren jüngeren Bruder Tom befragen, mit dem Sie seit Jahren im Verein und in der Nationalmannschaft zusammenspielen. Wie blicken Sie auf seine Entwicklung?
Grambusch: Tom ist ein beinharter Innenverteidiger und dirigiert mit seinen Schlenzbällen unser Aufbauspiel. In diesem Bereich sehe ich ihn auf jeden Fall in der Weltspitze. Defensiv ist er mit seiner Physis, seiner Technik und seinem Tempo nur schwer zu überwinden. Wie man merkt, ist es deutlich einfacher über seine Qualitäten zu reden, als über meine (lacht).
Erwischen Sie sich dabei, dass Sie ihn auf dem Feld anders behandeln oder anders reagieren als beim Rest der Mannschaft?
Grambusch: Das hat sich im Laufe der Jahre schon geändert. Tom und ich sind eigentlich in allen Lebenslagen sehr ehrlich, manchmal auch konfrontativ, im Austausch miteinander. Da ändert sich auf dem Platz dann nicht so viel.
Als Tom in die Nationalmannschaft kam, hatte ich anfangs schon das Gefühl, ihn schützen zu müssen und war vielleicht nicht ganz so direkt, wie bei anderen Mitspielern. Das hat sich aber auch schon lange komplett gedreht. Ich gehe mit Tom nicht anders um, als mit anderen Mitspielern, das würde auch irgendwie nicht passen.
Neben den beiden Grambuschs liefen fünf weitere Spieler aus dem deutschen WM-Kader vergangene Saison für Rot-Weiß Köln auf, wie kommt diese enorme Qualität an Spielern zustande?
Grambusch: Das liegt in erster Linie an dem Konstrukt, das Rot-Weiß Köln aufstellt. Dort wird ein duales System gelebt. Der Hockey-Spieler ist ja nicht nur Hockey-Spieler, sondern kann auch für Unternehmen im Berufsleben interessant sein.
Es gibt ein Mentorenprogramm. Jeder Spieler bekommt für seine Branche einen Mentor, der im Berufsleben helfen und beraten kann. Das sind meist Führungskräfte aus großen oder mittelständischen Unternehmen. Das lockt junge Spieler, weil ihnen eine Perspektive aufgezeigt wird.
Aber natürlich ist auch sportlich bei uns viel möglich. Der Rückrundenauftakt in der Bundesliga steht kurz bevor, wir wollen als Mitfavorit um den Titel spielen, in der EHL (dem Äquivalent zur Champions League) stehen wir im Viertelfinale. Und im Verein herrscht logischerweise ein sehr angenehmes Miteinander.
Stichwort Berufsleben: Sie haben neben ihrer Hockey-Karriere studiert, später waren Sie in verschiedenen Unternehmen tätig, aktuell arbeiten Sie im Familienbetrieb einer Immobilienfirma. Wie gelingt die Balance zwischen Profi-Sport, Freizeit und Arbeit?
Grambusch: Die Freizeit kommt da leider oft zu kurz. Es ist so, dass wir in der Nationalmannschaft deutlich anziehen mussten, besonders bei der Anzahl der Lehrgangs-Tage. Andere Nationen waren da schon viel weiter, haben zentrale Trainingslager und stehen wöchentlich zusammen auf dem Rasen. Mittlerweile stehen bei uns knapp 120 Lehrgangs-Tage mit der Nationalmannschaft im Kalender.
An Lehrgangs-Tagen sieht es dann meist so aus: morgens Training, abends Training und dazwischen Berufsleben. Dazu kommen noch die Trainings-Einheiten und Spiele mit dem Verein. Darunter leidet dann natürlich die Freizeit und so schnell werden wir von diesem System wohl nicht wegkommen.
Woran liegt das?
Grambusch: Dafür fehlen noch viele, viele Sponsoren, die die Vergütung der Spieler soweit vorantreiben würden, dass man sich im Berufsleben etwas zurücknehmen könnte. Das könnte in den nächsten Jahren in der Nationalmannschaft ein Problem werden, weil es immer schwieriger wird, das Spitzen-Niveau im Hockey zu halten und gleichzeitig der beruflichen Karriere nachzukommen. Aber so ist eben das Leben eines Hockey-Spielers.
Im August 2023 findet die Hockey-Europameisterschaft in Mönchengladbach statt, wie blicken Sie aktuell auf die deutsche Nationalmannschaft?
Grambusch: So viel hat sich nicht geändert. Wir sind nicht weniger hungrig. Es hat uns Selbstvertrauen gegeben, nach so einer langen Zeit den WM-Titel zu holen. Wir haben junge Spieler, die Druck auf den Kader machen, das ist immer gut. Der WM-Sieg hat uns zudem einen Boost gegeben, durch die Art und Weise, wie wir ihn geholt haben. Wir haben jetzt immer im Hinterkopf: "Die müssen uns erstmal schlagen und bis zum Abpfiff haben wir immer eine Chance".
Was erhoffen Sie sich von dem Turnier?
Grambusch: Die Heim-EM soll auf und neben dem Platz Erfolg bringen. Wir wollen definitiv den Titel holen, haben aber fast die gleiche Konkurrenz, wie bei der WM. Das kann dann natürlich in alle Richtungen gehen. Wir versprechen uns geile Spiele und eine tolle Atmosphäre, wobei ich dann natürlich immer sage, dass wir das Ding holen werden.