Hockey-Weltmeister So gelang Deutschland der Coup
Nach dem dramatischen Finalsieg über Belgien sind Deutschlands Hockeyherren zum dritten Mal Weltmeister. Mit dem Titel war vor dem Turnier nicht zu rechnen. Der Triumph in Indien geht als Sensation durch. Die Highlights gibt es im Video ab Minute 0:50.
Ein einzelnes Bild. Mehr nicht. Mats Grambusch, Kapitän der deutschen Hockeynationalmannschaft und sein Bruder Tom veröffentlichten es gestern Abend auf ihrem gemeinsamen Instagram-Account.
Zu sehen ist der WM-Pokal auf dem Boden der deutschen Kabine inmitten zahlreicher Getränkepfützen. Deutschland ist wieder Hockey-Weltmeister. Nach 17 langen Jahren. So lange lag der letzte WM-Triumph zurück.
Deutschlands Hockeyherren warteten seit 2014 auf einen großen Titel
Dabei wirbt das deutsche Hockey offensiv damit, die erfolgreichste Teamsportart des Landes zu sein. Doch zwischen Anspruch und Realität klaffte zuletzt eine Lücke. Seit dem Gewinn der Champions Trophy vor neun Jahren reichte es für Deutschlands Hockeyherren nicht mehr zum Gewinn eines großen Turniers.
"Aber wir waren in dieser Zeit nicht unerfolgreich", stellt Mats Grambusch klar. "Der Vergleich mit dem extrem erfolgreichen Jahrzehnt hat ein wenig genervt." Immer wieder mussten sich Grambusch und seine Teamkollegen den Vorwurf gefallen lassen, nicht so erfolgreich zu spielen wie deutsche Mannschaften nach der Jahrtausendwende.
Nationen wie Belgien zogen mit zentralisierten Systemen vorbei
Denn zwischen 2002 und 2014 war das deutsche Hockey tatsächlich internationale Spitze. Medaillensammler bei allen großen Turnieren, allen voran bei den Olympischen Spielen. Nach einer langen Durststrecke ist Deutschland ganz oben zurück. Ausgerechnet nach dem WM-Endspielsieg über Titelverteidiger Belgien. Mats Grambusch brachte danach zunächst nur ein Wort raus: "Wahnsinn."
Tatsächlich war mit einem Sieg der deutschen Herren beim WM-Turnier in Indien eigentlich nicht zu rechnen. Denn die lange titellose Zeit hatte Gründe. Allen voran den, dass die Konkurrenz vorbeigezogen war. In den vergangenen Jahren dominierten Australien, die Niederlande und besonders Olympiasieger Belgien das internationale Herrenhockey.
Belgien professionalisierte schon vor Jahren seine Strukturen, lässt seitdem die besten Nationalspieler des Landes zentralisiert an rund 200 Tagen im Jahr gemeinsam trainieren. In Deutschland trainieren die Nationalspieler zumeist für sich bei ihren Heimatvereinen, stehen nur etwa halb so oft gemeinsam zum Training auf dem Platz wie die Belgier oder Niederländer.
Deutsches Hockey setzt auf weiche Faktoren
"Wir gehen einen anderen Weg und sind extrem auf die Eigenmotivation unserer Spieler angewiesen", erklärt Bundestrainer André Henning. Aus dem offensichtlichen sportlichen Nachteil hat Henning aber auch versucht, ganz bewusst einen Vorteil zu machen: "Ich glaube, dass es gelungen ist, unseren Spielern aufzuzeigen, dass sie viele Freiheiten genießen, die Nationalspieler anderer Nationen nicht haben."
In diesem Wissen würden die deutschen Spieler ihre Hausaufgaben gewissenhafter absolvieren, meint Henning. Dazu krempelte der Bundestrainer seit seinem Amtsantritt vor etwas mehr als einem Jahr die Führungskultur im Team um.
Gestandene Führungsspieler wie der ehemalige Kapitän Tobias Hauke oder Martin Häner beendeten kürzlich ihre Karrieren. André Henning ordnete das Teamgefüge neu und baute auf flache Hierarchien und Zusammengehörigkeitsgefühl: "Gerade auf der persönlichen Ebene haben wir in der knapp bemessenen Zeit extrem gut zusammengefunden. In unserer Mannschaft gibt es viele Freundschaften und daraus ziehen wir Stärke und Widerstandsfähigkeit auf dem Platz."
Torjäger Niklas Wellen wird zum Spieler des WM-Turniers
Genau das war bei diesem WM-Turnier immer wieder zu sehen. Sowohl im Viertel- als auch im Halbfinale und schließlich auch im Endspiel holte das deutsche Team jeweils einen Zwei-Tore-Rückstand auf. Stürmer Niklas Wellen, der im Turnierverlauf Vater geworden war, avancierte zum überragenden Akteur in einer geschlossenen und kampfstarken Mannschaft. Völlig verdient wurde er zum Spieler des Turniers gewählt.
Zum Kennenlernen mit seinem Sohn in Krefeld kehrt der 28-jährige Wellen heute mit der Goldmedaille um den Hals zurück. "Die letzten Wochen waren die aufregendsten in meinem ganzen Leben", sagte er. Das deutsche Hockey haben er und seine Mitspieler zurück an die Weltspitze gebracht. Und das nächste Highlight steht schon vor der Tür.
Im August steigt in Mönchengladbach die Europameisterschaft. Dann wird Deutschlands erfolgreichste olympische Teamsportart nach langer Zeit mal wieder zu den Titelfavoriten zählen.