EM-Qualifikation Nach Tedesco-Zoff - Belgien siegt auch ohne Courtois
Der Frontalangriff auf Domenico Tedesco zählte stolze 266 Wörter. Mit einem vor Kritik strotzenden Pamphlet hat Belgiens Nationaltorhüter Thibaut Courtois den "Verweigerungsvorwurf" Tedescos vehement zurückgewiesen und die nächste Eskalationsstufe im Machtkampf mit dem deutschen Coach der "Roten Teufel" gezündet.
Wenige Stunden vor dem glanzlosen 3:0-Sieg im EM-Qualifikationsspiel in Estland, den Romelu Lukaku (37./40.) und Johan Bakayoko (90.) am Dienstagabend (20.06.2023) herausschossen, befand sich ganz Fußball-Belgien in heller Aufregung.
Nach seiner aufsehenerregenden Abreise von der Nationalmannschaft nutzte Courtois das Internet, um seinen Trainer verbal zu attackieren. Auf seiner Homepage prangerte der Torhüter des spanischen Rekordmeisters Real Madrid unter anderem an, dass Tedescos Einlassungen zu dem Thema "nicht mit der Realität übereinstimmen". Der frühere Bundesligacoach habe nur "teilweise und subjektiv" von einer "privaten Unterredung" berichtet. Er sei "überrascht und tief enttäuscht".
Streit um die Kapitänsbinde
Laut Courtois sei es "weder eine Laune noch eine willkürliche Entscheidung, Kapitän der Nationalmannschaft zu sein oder nicht zu sein". Im Gespräch mit Tedesco sei es ihm darum gegangen, "Situationen, die dem Team in der Vergangenheit geschadet hätten", zu vermeiden. Leider habe er sein Ziel nicht erreicht.
Die Äußerungen Courtois' haben das Potenzial, den Arbeitsplatz des 37 Jahre alten Tedesco beim WM-Dritten von 2018 schon wenige Monate nach dessen Amtsantritt im Februar zu gefährden. Angesichts der unübersichtlichen Gemengelage beim Starensemble der Belgier erscheint es fraglich, ob der Deutsch-Italiener seinen Vertrag bis zur EM-Endrunde im kommenden Jahr in Deutschland erfüllen darf.
Immer wieder Zoff bei den "Roten"
Schon in der jüngeren Vergangenheit haben die Belgier immer wieder durch interne Streitigkeiten für negative Schlagzeilen gesorgt. Das Vorrunden-Aus bei der zurückliegen WM-Endrunde in Katar wurde nicht zuletzt auf hausgemachten Krach zurückgeführt.
Die jüngsten Dissonanzen wurden am Montag von Tedesco öffentlich gemacht. Der frühere Trainer von Schalke 04 und RB Leipzig hatte erklärt, dass Courtois die Reise nach Tallinn verweigert habe. Laut Tedesco ("Ich bin überrascht und schockiert") war Courtois beleidigt, weil er am vergangenen Samstag beim 1:1 gegen Österreich nicht den verletzten Kevin De Bruyne als Kapitän vertreten durfte.
Tedesco: "Er wollte nach Hause"
"Nach dem Spiel wollte Thibaut plötzlich mit mir sprechen und sagte mir, er wolle nach Hause, weil er enttäuscht sei und sich beleidigt fühle", sagte Tedesco, der die Binde gegen Österreich an Lukaku vergeben hatte. Der Angreifer von Inter Mailand und Courtois (31) sind gleichrangige Stellvertreter von De Bruyne. Laut Tedesco sei geplant gewesen, dass beide jeweils in einem der beiden Spiele im Juni die Mannschaft auf das Spielfeld führen.
Courtois, der in Estland von Matz Sels vom französischen Erstligisten Racing Straßburg vertreten wurde, gab dagegen zu Protokoll, dass seine Abreise aus medizinischen Gründen erfolgt sei. Er habe sich - in Absprache mit den Verantwortlichen der Auswahl - einer Untersuchung wegen eines Problems am rechten Knie unterzogen.
Vertonghen fordert eine "Lösung"
Verteidiger Jan Vertonghen konnte angesichts der "traurigen Situation" nur den Kopf schütteln: "Die Prozesse sind nun sicherlich gestört, es muss eine Lösung gefunden werden."