Europaeischer Gerichtshof

Urteil des EuGH Transferregelung der FIFA verstößt gegen EU-Recht

Stand: 04.10.2024 10:51 Uhr

Der Europäische Gerichtshof hat am Freitag (04.10.2024) entschieden, dass von ihm begutachtete Transferregelungen der FIFA gegen europäisches Recht verstoßen. Das Urteil könnte weitreichende Konsequenzen für den Profifußball haben.

Die vom EU-Recht gewährte Freizügigkeit der Spieler und der Wettbewerb zwischen den Vereinen werden laut Urteil durch die betreffenden Regeln, mit denen sich der EuGH befasste, eingeschränkt. So heißt es vom EuGH in einer Zusammenfassung des Urteils: "Diese Bestimmungen behindern die Freizügigkeit der Spieler und beschränken den Wettbewerb zwischen den Vereinen."

Der Weltverband FIFA teilte mit, dass er davon überzeugt sei, "dass die Rechtmäßigkeit der wichtigsten Grundsätze des Transfersystems durch das heutige Urteil erneut bestätigt" worden sei. "Lediglich zwei Absätze von zwei Artikeln des FIFA-Reglements über den Status und den Transfer von Spielern" seien infrage gestellt worden. Weiter wolle sich die FIFA zunächst nicht erklären.

Die Anwälte von Diarra betrachten das Urteil laut einer Pressemitteilung als großen Sieg, der alle Fußballer betreffen würde. Die Spielergewerkschaft FIFPRO, die ebenfalls für Diarra eintrat, teilte mit, der EuGH habe ein "wichtiges Urteil zur Regulierung des Arbeitsmarktes im Fußball gefällt, das die Landschaft des Profifußballs verändern wird".

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) wird sich im Lauf des Freitags zum Urteil äußern.

Klage von Lassana Diarra der Auslöser

Der ehemalige Fußballprofi Lassana Diarra war 2013 vom russischen Verein Lokomotive Moskau verpflichtet worden. Nach nur einem Jahr kam es zum Bruch. Der Klub löste den Vertrag auf und verlangte eine Entschädigung. Der ehemalige französische Nationalspieler wiederum verklagte den Verein auf ausstehende Gehälter. Er machte geltend, dass sich die Suche nach einem neuen Verein schwierig gestalte.

Lassana Diarra

Lassana Diarra im Trikot von Lokomotive Moskau

Denn nach den FIFA-Regeln würde jeder neue Verein bei einer grundlosen Auflösung eines Vertrags mit ihm für die Zahlung einer Entschädigung an Lokomotive Moskau haften. Deswegen sei ein Vertrag mit dem belgischen Club Sporting du Pays de Charleroi nicht zustande gekommen. Diarra verklagte daraufhin die FIFA und den belgischen Fußballverband auf Schadenersatz und Verdienstausfall in Höhe von sechs Millionen Euro. Das belgische Gericht legte den Fall dem EuGH vor, der nun zu einem Urteil kam.

Die Richter entschieden nun, dass die Regeln der FIFA über das Ziel hinausschießen. Diese belasteten die Sportler und die Vereine "mit erheblichen rechtlichen, unvorhersehbaren und potenziell sehr großen finanziellen sowie ausgeprägten sportlichen Risiken", hieß es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Manche Regeln könnten zwar dadurch gerechtfertigt werden, dass dadurch ein gewisser Grad an Beständigkeit in den Mannschaften gewährleistet werde. Hier scheinen die Regeln jedoch darüber hinauszugehen, so die Richter.

Den konkreten Fall Diarra entscheidet ein Gericht in Belgien

Der EuGH urteilt grundsätzlich nur über die ihm vorgelegten Fragen. Den konkreten Fall muss dann das nationale Gericht - in diesem Fall das belgische - entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des EuGH beachten.

Sportrechtler: "Zeit für ein neues Transfersystem der FIFA"

Der renommierte Sportrechtler Antoine Duval schrieb in einer ersten Einschätzung bei "X", dass der Urteilsspruch in Gänze vorliegen und durchgearbeitet werden müsse, um seriös über mögliche Folgen Auskunft geben zu können. Schon jetzt aber sei es unwahrscheinlich, dass das Transfersystem, wie es aktuell praktiziert wird, Bestand haben werde. Aus dem vom EuGH verfassten Statement "Der Gerichtshof entscheidet, dass alle diese Bestimmungen gegen das Unionsrecht verstoßen" leitete er in einem weiteren Post ab, dass das Urteil "glasklar" und "gewaltig" sei, es also zu Umwälzungen kommen werde: "Es ist Zeit für ein neues Transfersystem der FIFA".

Gericht folgt Anträgen des Generalanwalts

In seinen Ende April 2024 verlesenen Schlussanträgen hatte Generalanwalt Maciej Szpunar schon Diarras Ansicht geteilt. Er war zu dem Schluss gekommen, dass das Transfersystem rechtswidrig sein könnte. Die FIFA-Regeln seien so gestaltet, dass Vereine aus Furcht vor einem finanziellen Risiko davor zurückschreckten, Spieler zu verpflichten. Potenzielle Sanktionen gegen Vereine könnten Spielerinnen und Spieler tatsächlich daran hindern, ihren Beruf bei einem Verein in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben.

Super League oder Champions League?

Marcus Bark, Chaled Nahar, Sportschau, 28.03.2024 16:48 Uhr

Außerdem beeinträchtigten die Regeln der FIFA den Wettbewerb zwischen den Vereinen, weil dadurch die Möglichkeiten zur Verpflichtung von Spielern geschrumpft würden, hieß es in den Schlussanträgen. Die Verstöße gegen die EU-Vorschriften zu Freizügigkeit und Wettbewerb könnten allerdings gerechtfertigt sein, wenn damit ein legitimes Ziel verfolgt werde. Die Richter folgen der Meinung des Generalanwalts oft, aber nicht immer.

Beim Urteil zur Super League 2023 etwa entschieden die Richter komplett gegenteilig zu den Anträgen des Generalanwalts.