Urteil des EuGH Transferregelung der FIFA verstößt gegen EU-Recht
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat am Freitag (04.10.2024) entschieden, dass bestimmte Transferregeln der FIFA gegen europäisches Recht verstoßen. Das Urteil könnte weitreichende Konsequenzen für den Profifußball haben.
Die vom EU-Recht gewährte Freizügigkeit der Spieler und der Wettbewerb zwischen den Vereinen werden laut Urteil durch die betreffenden Regeln eingeschränkt. So heißt es vom EuGH in einer Zusammenfassung des Urteils: "Diese Bestimmungen behindern die Freizügigkeit der Spieler und beschränken den Wettbewerb zwischen den Vereinen."
Klage von Lassana Diarra der Auslöser
Darum geht es: Der ehemalige Fußballprofi Lassana Diarra unterschrieb 2013 einen Vertrag beim russischen Verein Lokomotive Moskau. Nach nur einem Jahr verließ Diarra den Verein begründete dies mit Gehaltskürzungen. Der Klub löste den Vertrag auf und verlangte eine Entschädigung von Diarra wegen Vertragsbruchs. Denn nach den FIFA-Regeln müssen Fußballer, die ihren Vertrag "ohne triftigen Grund" vorzeitig kündigen, dem bisherigen Verein Schadenersatz zahlen. Die FIFA gab Moskau recht und forderte Diarra auf, zehn Millionen Euro Schadenersatz an Moskau zu zahlen.
Lassana Diarra im Trikot von Lokomotive Moskau
Nach den FIFA-Regeln würde auch jeder neue Verein im Falle einer grundlosen Auflösung eines Vertrags mit ihm für die Zahlung einer Entschädigung an Lokomotive Moskau mithaften. Aus diesem Grund sei ein Vertrag mit dem belgischen Klub Sporting Charleroi nicht zustande gekommen, argumentierte Diarra und verklagte daraufhin die FIFA und den belgischen Fußballverband auf Schadenersatz und Verdienstausfall in Höhe von sechs Millionen Euro. Das belgische Gericht legte den Fall dem EuGH vor, der nun zu einem Urteil kam.
Richter sehen Risiken für Sportler und Vereine
Die Richter beim EuGH entschieden nun, dass die Regeln der FIFA die Sportler und die Vereine "mit erheblichen rechtlichen, unvorhersehbaren und potenziell sehr großen finanziellen sowie ausgeprägten sportlichen Risiken" belasteten, hieß es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Manche Regeln könnten zwar dadurch gerechtfertigt werden, dass durch sie ein gewisser Grad an Beständigkeit in den Mannschaften gewährleistet werde. Hier scheinen die Regeln jedoch darüber hinauszugehen, so die Richter.
Damit folgte das Gericht weitgehend den Schlussanträgen von Generalanwalt Maciej Szpunar aus dem April. Der Pole war zu dem Schluss gekommen, dass das Transfersystem rechtswidrig sein könnte. Die FIFA-Regeln seien so gestaltet, dass Vereine aus Furcht vor einem finanziellen Risiko davor zurückschreckten, Spieler zu verpflichten. Potenzielle Sanktionen gegen Vereine könnten Spielerinnen und Spieler tatsächlich daran hindern, ihren Beruf bei einem Verein in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben.
DFL fordert Änderungen der Transferregularien
Die FIFA teilte am Freitag mit, dass sie davon überzeugt sei, "dass die Rechtmäßigkeit der wichtigsten Grundsätze des Transfersystems durch das heutige Urteil erneut bestätigt" worden sei. "Lediglich zwei Absätze von zwei Artikeln des FIFA-Reglements über den Status und den Transfer von Spielern" seien infrage gestellt worden. Weiter wolle sich die FIFA zunächst nicht erklären.
Die Anwälte von Diarra betrachten das Urteil laut einer Pressemitteilung als großen Sieg, der alle Fußballer betreffen würde. Die Spielergewerkschaft FIFPRO, die ebenfalls für Diarra eintrat, teilte mit, der EuGH habe ein "wichtiges Urteil zur Regulierung des Arbeitsmarktes im Fußball gefällt, das die Landschaft des Profifußballs verändern wird".
Die Führung der Deutschen Fußball Liga (DFL) ließ verlauten, das Urteil betreffe "unmittelbar nur internationale Transfers". Um jedoch Rechtssicherheit beim Abschluss von Verträgen zu haben und deren Stabilität zu gewährleisten, sei die "FIFA nun angehalten, auf Grundlage der Urteilsbegründung und in Konsultation mit Ligen und Spielergewerkschaften Änderungen an den internationalen Transferregularien zu erarbeiten".
Sportrechtler: "Zeit für ein neues Transfersystem der FIFA"
Ähnlich sieht das Alexander Scheuch: "Die FIFA wird ihre Vorschriften gründlich auszumisten haben", sagte der Bonner Professor für Zivil- und Wirtschaftsrecht dem "Legal Tribune Online". Die Klarheit des Urteils überraschte auch Scheuch: "Der EuGH zerlegt die FIFA-Regeln zu Transfers vertragsbrüchiger Spieler nach allen Regeln der Kunst." Der EuGH "geht angesichts der drastischen Sanktionen sogar von einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung aus. Das FIFA-Reglement wird letztlich als kartellrechtswidriges Abwerbeverbot eingestuft", so Scheuch weiter.
Auch der renommierte Sportrechtler Antoine Duval hält es für unwahrscheinlich, dass das Transfersystem, wie es aktuell praktiziert wird, Bestand haben werde. In einem weiteren Post schrieb er, dass das Urteil "glasklar" und "gewaltig" sei, es also zu Umwälzungen kommen werde: "Es ist Zeit für ein neues Transfersystem der FIFA".
"Es geht nicht darum, dass der Spieler dann nicht mehr mit Sanktionen belegt werden kann, sondern um die Haftung für den neuen Verein", sagte Paul Lambertz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sportrecht, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Eine mögliche Folge sei: Die FIFA müsse in ihren Statuten den Paragrafen ändern, laut dem auch der neue Klub in Haftung genommen wird.
Den konkreten Fall Diarra entscheidet ein Gericht in Belgien
Wie geht es nun weiter? Der EuGH urteilt grundsätzlich nur über die ihm vorgelegten Fragen. Den konkreten Fall muss dann das nationale Gericht - in diesem Fall das belgische - entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des EuGH beachten.