Einzelkritik zur DFB-Elf Wechselspiel aus Licht und Schatten
Beim Nations-League-Spiel gegen die Niederlande zeigten die deutschen Nationalspieler, dass sie kicken können. Wenn nur die individuellen Fehler nicht wären.
Marc-André ter Stegen (Tor): Bei den Gegentoren war Deutschlands neue Nummer eins ohne Abwehrchance. Hielt zu Beginn des Spiels einen Schuss von Xavi Simons und später auch Versuche von Gakpo und Gravenberch. Gut auf der Linie, stark mit dem Ball am Fuß - so kennt man ter Stegen. Verschätzte sich bei zwei Eckbällen - und hatte Glück, dass daraus kein Gegentor resultierte. So wurde er zu einem Gesicht seiner Mannschaft. Die zeigte gegen die Niederlande, dass sie kicken kann. Wenn nur die individuellen Fehler nicht wären.
Joshua Kimmich (Abwehr): Flankte gut und traf sogar - sein siebtes Länderspieltor erzielte Kimmich kurz vor der Pause, als er einen missglückten Schussversuch von Undav über die Torlinie beförderte. Wenn Kimmich nicht vorne auftauchte, wenn er in seiner Kernaufgabe als Verteidiger gefordert war, fehlte ihm mitunter das Timing. Zu beobachten war das auch unmittelbar vor der Pause: Bei einem langen Ball orientierte er sich nach vorne, in seinem Rücken löste sich Nathan Aké. Kimmich hatte Glück, dass Aké Pech hatte. Der Niederländer verletzte sich in dieser Szene.
Jonathan Tah (Abwehr, bis 46. Minute): Hat zuletzt einige gute Länderspiele gemacht, dieses gehörte nicht dazu. So hat man ihn lange nicht spielen sehen. Sah beim frühen 0:1 nicht gut aus, als er zwar bei Brian Brobbey stand, ihn aber nicht unter Druck setzte. Verlor auch später fast alle Zweikämpfe gegen Brobbey. Oft wusste sich Tah gegen ihn nur mit Fouls zu helfen - als er in der 24. Minute Gelb sah, war das keine Überraschung mehr. Überraschend war dann auch nicht, dass der Bundestrainer Julian Nagelsmann ihn zur zweiten Halbzeit auswechselte.
Nico Schlotterbeck (Abwehr): Seine Rolle beim ersten Tor war keine glückliche, war damit allerdings nicht alleine - auch Tah und Andrich sahen nicht gut aus. Stand auch vor dem zweiten Gegentor nicht gut, als er Brobbey den Weg öffnete und der nur noch querlegen musste. Hatte auch einige gute Momente, allerdings eher dann, wenn er nicht als Verteidiger gefragt war, sondern als Aufbauspieler. Sein 16. Länderspiel war keine Bewerbung für einen Stammplatz.
David Raum (Abwehr): Spielte als Linksverteidiger diesmal gegen Xavi Simons, mit dem er in Leipzig zusammenspielt. Vor dem Spiel sagte Raum: "Ihn immer zu stoppen, das wird schwer." Im Spiel war Raum nicht frei von Fehlern, aber er zeigte auch, warum der Bundestrainer Nagelsmann in ihm die derzeit beste Lösung auf der linken Seite sieht. Schaltete sich gerne nach vorne ein - und hätte in der 70. Minute mit etwas mehr Konzentration beinahe per Kopf getroffen. Und Gegenspieler Xavi Simons? Der hat schon bessere Spiele gemacht.
Robert Andrich (Mittelfeld, bis 64.): Zögerte vor dem 0:1 für den Bruchteil einer Sekunde, ging dann nach vorne - und öffnete so Lücken in seinem Rücken. Fand erst nach gut einer halben Stunde besser ins Spiel. War dann aber ein Faktor im deutschen Spiel: Seinen Diagonalball auf die linke Seite vor dem zweiten Tor für Deutschland wird man so schnell nicht vergessen. Hatte zuvor einen ähnlichen Ball schon einmal gespielt. Kann nicht nur Zweikämpfe, er kann auch kicken.
Robert Andrich während des Länderspiels gegen die Niederlande
Pascal Groß (Mittelfeld, bis 64.): Gerade zu Beginn des Spiels ließ er sich im Aufbauspiel bei Ballbesitz zwischen die Innenverteidiger fallen. So ordnete er das Spiel, so sorgte er für Ruhe. Spielte nicht nur einen feinen Diagonalball. Blieb auch später ohne grobe Fehler - aber diesmal auch ohne Zauber. Empfahl sich erneut als kurzfristige Lösung für die wichtige Rolle als Chef-Sechser. Doch sein Auftritt gegen Ungarn war spektakulärer.
Florian Wirtz (Mittelfeld): Kann mit dem Ball am Fuß fast alles, zeigte das auch gegen die Niederlande manchmal. Nur zeigte er es seltener als gegen die Ungarn. Ihm gelang diesmal nicht jedes Dribbling, er verlor auch mal die Übersicht und mitunter sogar den Ball. Seine auffälligste Szene hatte er, als er gegen Ende der ersten Halbzeit mit einem Schuss an Verbruggen scheiterte. So tauchte er in der Statistik als Vorbereiter auf, weil anschließend Undav vollendete.
Kai Havertz (Mittelfeld): Spielte wie gegen Ungarn nicht im Angriff, er spielte auf der "Zehn" - und auch von dort torgefährlich. Zu Beginn der zweiten Hälfte kam er aus wenigen Metern zum Schuss, nur schoss er nicht ins Tor. Er schoss darüber. In dieser Szene fehlte ihm das Timing, auch das unterschied seinen Auftritt von dem gegen Ungarn. Da war Havertz in einer sehr guten Mannschaft einer der Besten. War dafür diesmal an der Entstehung des ersten deutschen Treffers beteiligt.
Jamal Musiala (Mittelfeld, bis 89.): Fing einmal einen Konter der Niederlande ab, als er Xavi Simons fair vom Ball trennte - da klatschte nicht nur der Bundestrainer. Offensiv war er nicht so auffällig wie gegen Ungarn, da ging es ihm nicht anders als Florian Wirtz. Auch Musiala verlor manchmal den Überblick und mitunter auch den Ball. Schlängelte sich nicht nur einmal um zwei, drei Gegenspieler herum, doch wenn er schoss, fehlte die Präzision. Verlor vor dem zweiten Gegetreffer den Ball, das sollte ihm nicht passieren.
Jamal Musiala und Florian Wirtz nach dem Länderspiel gegen die Niederlande
Deniz Undav (Angriff, bis 64.): Machte sein erstes Länderspiel von Beginn an - und tauchte zunächst ab. Bis zur 38. Minute war er nur selten ins Spiel eingebunden. Dann ließ der niederländische Torhüter Bart Verbruggen einen Schuss von Wirtz prallen. Und Undav stand schon da, wo der Ball landete. So erzielte er sein erstes Länderspieltor. Legte noch vor der Pause das zweite deutsche Tor auf, als er schoss, aber den Ball nicht satt traf. Davon profitierte Kimmich.
Waldemar Anton (Abwehr, ab 46.): Ersetzte zur zweiten Halbzeit Tah. Er spielte unauffällig, Fehler machte er kaum - so warb er an einem Abend, an dem seine Konkurrenten patzten, für sich.
Maximilian Beier (Mittelfeld, ab 64.): Kam für Undav, aber ordnete sich meist auf einem der Flügel ein. Zu sehen war dann, dass er nicht langsam ist. Dass ihm auch der Ball gehorcht. Doch auffälliger waren diesmal andere.
Aleksandar Pavlovic (Mittelfeld, ab 64.): Rettete nach seiner Einwechselung für Groß einmal stark mit einer Grätsche im Anstoßkreis, so verhinderte er einen Konter. War auch sonst auffällig – ohne dabei zu glänzen. Spielte einige kluge Pässe im Mittelfeld, agierte auch sonst umsichtig. So sorgte er für Ordnung. Ihm dürfte im defensiven Mittelfeld die Zukunft gehören.
Emre Can (Mittelfeld, ab 64.): Kam für Andrich und übernahm als Nebenmann von Pavlovic den defensiveren Part. Can spielte unauffällig. Er war selten am Ball, dafür dirigierte er viel.
Chris Führich (Mittelfeld, ab 89.): Sein Einsatz war kurz - zu kurz für eine Bewertung.