Fußball-WM der Frauen "Der Kampf um Gleichberechtigung muss irgendwann enden"
Die weltweite Gewerkschaft für Spielerinnen hat bei der FIFA eine Gleichstellung bei vielen Rahmenbedingungen der Weltmeisterschaften zwischen Spielerinnen und Spielern erreicht. Eine gleiche Bezahlung fehlt noch - auch wenn es einen Fortschritt gibt.
Über Jahrzehnte mussten Fußballerinnen bei den Weltmeisterschaften deutliche Nachteile im Vergleich zu den Männen hinnehmen. "Es gab Unterschiede in fast allen Bereichen", sagte Sarah Gregorius am Freitag (24.03.2023) bei einem Medientermin der weltweiten Gewerkschaft für Spielerinnen und Spieler (FIFPRO).
Gregorius, die 100 Länderspiele für Neuseeland bestritt und an den Weltmeisterschaften 2011, 2015 und 2019 teilnahm, ist mittlerweile bei FIFPRO Direktorin für strategische Angelegenheiten im Fußball der Frauen. Im Oktober 2022 arbeitete sie an Forderungen an die FIFA mit, um die Unterschiede bei den Turnieren der Männer und Frauen abzuschaffen.
Sarah Gregorius (r.) im Einsatz für Neuseeland bei der WM 2019
"Frauen mussten wochenlang zu zweit in Doppelzimmern schlafen"
Die 35-Jährige sprach beispielhaft die Größe der Delegationen an, für die der Weltverband FIFA die Kosten übernimmt. Bei der WM der Männer wurden 2018 von der FIFA je 50 Personen berücksichtigt, bei der WM der Frauen 2019 nur 35. Das geht zulasten von Unterstützung der Spielerinnen, beispielsweise im medizinischen Bereich.
"Die FIFA bezahlte bei den Frauen außerdem nur Doppelzimmer", sagte Gregorius: "Die Möglichkeiten zur Entspannung, Zeit alleine für sich zu haben oder ein privates Telefonat zu führen, wann man schläft - all das musste man teilweise vier, fünf, sechs Wochen lang mit einer Zimmerkollegin absprechen." Weitere Unterschiede habe es bei Reisen und Trainingsmöglichkeiten gegeben. Nun aber ist Besserung in Sicht - zumindest teilweise.
FIFA: Gleiches Preisgeld für Frauen und Männer zur WM 2027
Die Forderungen richtete FIFPRO im Oktober 2022 in einem Brief an die FIFA. Sie lauteten:
- Gleiche Rahmenbedingungen bei den Weltmeisterschaften - einschließlich gleicher Preisgelder, die von der FIFA an die Verbände ausgezahlt werden.
- Eine weltweite Garantie, dass mindestens 30 Prozent des Preisgeldes jeweils bei den Spielerinnen landet.
- Ein verbindlicher, weltweiter Tarifvertrag zwischen der FIFA und den Spielerinnen, der diese Verpflichtungen festschreibt.
150 Spielerinnen aus 25 Ländern unterzeichneten den Brief. "Aus Deutschland war das komplette Nationalteam dabei", sagte Gregorius. Und die FIFA reagierte auf die kollektiv vorgetragenen Forderungen der Spielerinnen. FIFA-Präsident Gianni Infantino kündigte nach dem FIFA-Kongress in Ruandas Hauptstadt Kigali an, dass die Rahmenbedingungen bei den Delegationen, Trainingscamps, Reisen und Unterkünften zur WM 2023 angeglichen werden.
Infantino sagte außerdem zu, das Gesamtpreisgeld der WM 2023 in Australien und Neuseeland auf 110 Millionen US-Dollar zu erhöhen. Das ist zwar nur ein Viertel des Preisgeldes der Männer bei der WM 2022 in Katar (440 Millionen US-Dollar), aber etwa eine Verdreifachung des Betrags der WM 2019 in Frankreich. Infantino fügte hinzu, dass zur WM 2027 eine Gleichbezahlung erreicht werden solle. "Auf dieser Zusage der FIFA können wir aufbauen", sagte Gregorius.
FIFA-Präsident Gianni Infantino kündigte eine Erhöhung des Preisgelds und eine Angleichung der Rahmenbedingungen an.
Wenig Geld für die Frauen - Kritik an TV-Sendern und Sponsoren
FIFPRO-Generalsekretär Jonas Baer-Hoffmann wies auf die zahlreichen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate und Jahre hin: "Kanada, Spanien, Frankreich und andere Länder - überall müssen die Spielerinnen um gleiche Bezahlung kämpfen, statt sich auf ihre Karriere zu konzentrieren." In Kanada drohten die Spielerinnen zeitweilig mit Streik. In Deutschland forderte Bundeskanzler Olaf Scholz den Deutschen Fußballbund (DFB) wiederholt zur gleichen Bezahlung von Spielern und Spielerinnen auf - bislang vergeblich.
Baer-Hoffmann stimmte FIFA-Präsident Infantino zudem bei der Frage nach der Rolle von Fernsehsendern und Sponsoren zu. "Sender und Sponsoren bieten uns für die Männerturniere teilweise das zehn- bis hundertfache des Geldes an, das sie für die Frauenturniere anbieten", sagte Infantino in Kigali: "Wir werden die WM der Frauen künftig nicht mehr zu solchen Preisen verkaufen." Die Medienrechte in Europa für die WM 2023 sind zu einem großen Teil vergeben, der Prozess für den deutschen Markt läuft derzeit.
Alex Morgan: "Die Bedingungen weiter in Frage stellen"
FIFPRO veröffentlichte am Mittwoch zahlreiche Stellungnahmen von weltbekannten Spielerinnen. "Ich werde weiterhin die heute bestehenden Bedingungen in Frage stellen, damit wir einen gleichberechtigten Platz am Tisch haben - und einen Teil davon stellen die Arbeitsbedingungen für die Weltmeisterschaft dar", sagte demnach Alex Morgan aus den USA. Die Engländerin Lucy Bronze sagte: "In jedem Land der Welt fehlt noch etwas oder es gibt etwas, das viel besser gemacht werden könnte."
Für Sarah Gregorius bleibt ein Gedanke - das tatsächliche Erreichen von gleichen Bedinungungen. Sie sagte: "Zumindest auf dem Spitzenniveau, bei den Weltmeisterschaften, muss der Kampf um Gleichberechtigung irgendwann enden. Das darf nicht für immer weiter gehen."