Nach WM-Aus und Bierhoff-Rücktritt Der deutsche Fußball in Watzkes Händen
Hans-Joachim Watzke ist zum bedeutendsten deutschen Fußball-Funktionär aufgestiegen, weil neben ihm ein Machtvakuum entstanden ist. Der BVB-Boss und Aufsichtsratschef der DFL prägt daher umso mehr eine so wichtige Woche im deutschen Fußball.
Der Sturm nach dem frühen Aus bei der Weltmeisterschaft 2018 in Moskau legte sich recht schnell. Ein paar Interviews nach der Landung in Frankfurt, dann verzog es Joachim Löw in eine wochenlange Analyse, bei der herauskam, dass weitestgehend alles so bleiben wird, auch wenn sich einiges ändern müsse.
Watzke in Bierhoff-Entscheidung involviert
Nach dem frühen Aus bei der Weltmeisterschaft 2022 hat es vier Tage gedauert, bis Oliver Bierhoff nach 18 Jahren die Verantwortung bei der Nationalmannschaft abgab. So freiwillig, wie dies in der Mitteilung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) klingt, soll es aber nicht gewesen sein. Auch weil jemand bei den Gesprächen über die Auflösung des Vertrages dabei war, der gar nicht in der Mitteilung des DFB erwähnt wird: Hans-Joachim Watzke.
Als Strippenzieher werden Menschen bezeichnet, die Angelegenheiten so regeln, dass es ihnen bestens in den Kram passt, sie aber im Hintergrund bleiben können.
Wichtige Entscheidungen stehen an
In der für den deutschen Fußball bedeutenden Woche wird noch eine Entscheidung verkündet werden, bei der Watzke seit Wochen die Strippen zog, wie intime Kenner des deutschen Fußballs sagen. Donata Hopfen wird nach weniger als einem Jahr die Führung der Deutschen Fußball Liga (DFL) wieder abgeben müssen.
Der Spitzenbereich im deutschen Fußball wird neu sortiert in die nächsten Monate gehen, in denen es stramm auf die Europameisterschaft im eigenen Land zugeht. Der Grundlagenvertrag wird neu verhandelt, mit dem die Verteilung des Geldes zwischen Amateuren und Profis neu geregelt werden soll. Und die Ausschreibung der Medienrechte, durch deren Verkauf sich die Branche hauptsächlich finanziert, ist auch nicht mehr so lange entfernt.
Bayern München überlässt BVB-Boss das Feld
In dieser Angelegenheit hängt alles irgendwie mit allem zusammen, und daher wundert es, dass der Branchenriese sich öffentlich weitestgehend zurückhält. Der FC Bayern lässt machen, und zwar den Boss des Konkurrenten Borussia Dortmund. Das war in der noch größeren Krise des deutschen Fußballs ganz anders. Als die Coronapandemie im Frühjahr 2020 ausbrach und die DFL klagte, dass 13 ihrer 36 Klubs schnell in ihrer Existenz gefährdet sein könnten, weil Milliardenverluste bevorstehen, zog ein Triumvirat durch das Land, um bei der Politik um Hilfe zu bitten.
Der FC Bayern war mit Karl-Heinz Rummenigge prominent vertreten, die DFL mit Christian Seifert, der BVB mit Watzke.
Watzke stößt in Machtvakuum
Aus diesem Triumvirat ist nur der Dortmunder geblieben. Donata Hopfen hat nie an Profil gewinnen können, weil sie schon gleich zu Beginn grobe Fehler machte, etwa als sie in ihrem ersten großen Interview einen deutschen Supercup in Saudi-Arabien nicht ausschloss. Oliver Kahn, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, scheint kein großes Interesse zu haben, über den Tellerrand des Münchner Rekordmeisters zu schauen.
So ist abseits von Watzke ein Machtvakuum entstanden, das die Macht von Hans-Joachim Watzke auf natürliche Art vermehrte. Der 63 Jahre alte Sauerländer ist seit 2005 Geschäftsführer beim börsennotierten Fußballunternehmen in Dortmund. Den Affären-erprobten DFB beobachtete er lange kritisch, spitze Bemerkungen und Sticheleien gegen den Strippenzieher und Multifunktionär Rainer Koch waren immer wieder mal zu hören.
Watzke und Neuendorf auf einer Wellenlänge
Mit den Bezeichnungen muss Watzke aber jetzt auch leben, denn der Vorsitzende seines Heimatklubs SV Rot-Weiß Erlinghausen und BVB-Boss ist seit dem Frühjahr Aufsichtsratschef der DFL und damit automatisch 1. Vizepräsident des DFB. Dessen Präsident heißt seit März Bernd Neuendorf, ein Sozialdemokrat, der mit dem Ziel antrat, das Verhältnis des Fußballverbandes zur Politik wieder zu verbessern. Damit rannte er beim Christdemokraten Watzke offene Türen ein.
Ein DFB ohne Skandale und Affären ist Watzke und der DFL wichtig, denn ein beschädigtes Produkt bringt weniger Geld ein. Dem DFB ist eine wohlgesonnene DFL wichtig, daher suchten Neuendorf und Watzke schnell eine Nähe. Sie betonen ein harmonisches Verhältnis.
Bundestrainer Flick macht weiter
In Katar wurde es zumindest auf eine harte Probe gestellt, denn die Affäre um die "One Love"-Kapitänsbinde und ein kommunikatives Durcheinander sowohl in der sportpolitisch brisanten Angelegenheit als auch beim Abgang nach dem Vorrundenaus beschädigten den Ruf des neuen DFB-Präsidenten.
So entsteht der Eindruck, dass Hans-Joachim Watzke die entscheidende Rolle zukommen könnte, wenn über die Zukunft von Bundestrainer Hansi Flick entschieden wird. Die intimen Kenner des deutschen Fußballs sagen, dass kein weiterer Sturm zu erwarten sei und Flick bleibe.