FIFA WM 2022 Spiel um Platz 3 - versöhnlicher Abschluss oder "bronzene Ananas"?
Es ist das vorletzte Spiel der WM - das Spiel um Platz 3. Manche sehen die Chance auf ein zumindest versöhnliches Turnierende, andere würden es am liebsten abschaffen.
2006 sorgte das Spiel um Platz 3 zumindest noch für einen heiteren Abend. Nachdem Deutschland bei der Heim-WM in Dortmund gegen Italien ausgeschieden war, lieferte das "kleine Finale" große Momente: noch ein Sieg vor eigenem Publikum, ein letztes Spiel für Oliver Kahn, eine Siegerehrung für die Protagonisten des "Sommermärchens", das damals noch von Leichtigkeit und nicht vom Korruptionsverdacht bestimmt war.
Das deutsche Team labte sich 2006 mit seinen Fans am Spiel um Platz drei in Stuttgart. Doch oft genug war der vorletzte Kick des Turniers das ungeliebte Spiel um "die bronzene Ananas", wie "Der Spiegel" die Partie einst nannte.
Bastian Schweinsteiger (l.) und Cristiano Ronaldo im Zweikampf beim Spiel um Platz 3 der WM 2006
Kritik: Das Turnier endet für ein Team mit zwei Niederlagen
"Ich finde es unfair, dass eine Mannschaft zweimal hintereinander verlieren kann", sagte Louis van Gaal 2014. "Zuerst im Halbfinale und dann - wenn es schief läuft - auch noch im Spiel um Platz 3. "Dass man damit ein Turnier, das so toll war, vielleicht als Loser beendet, hat mit Sport nichts mehr zu tun. Es kann nur ein Finale geben, und in dem muss es darum gehen, Champion zu werden."
Brasilien erlebte 2014 als Gastgeber emotional schwierige letzte Spiele vor eigenem Publikum. Nach dem demütigenden 1:7 in Belo Horizonte gegen Deutschland kam noch ein 0:3 in Brasilia gegen die Niederlande im Spiel um Platz 3 dazu.
Brasiliens Oscar (l.) und David Luiz nach dem Spiel um Platz 3 gegen die Niederlande bei der WM 2014
Die Tradition will es so - und es gibt Geld
Das Spiel basiert auf viel Tradition. Mit Ausnahme der Weltmeisterschaften 1930 und 1950 wurde bei jeder Ausgabe der WM der dritte Platz ausgespielt. Unterhaltsame Spiele waren dabei: Deutschland gewann 2010 nach Führung und Rückstand 3:2 gegen Uruguay. Hakan Sükür schoss 2002 für die Türkei gegen Südkorea das schnellste Tor der WM-Geschichte. 1998 bejubelte Kroatien mit Platz drei ausgelassen den bis dahin größten Erfolg seiner Fußballgeschichte.
Ansonsten geht es auch um Geld: Die FIFA hat ein weiteres Spiel, das sie vermarkten kann. Und für den Verband des siegreichen Teams gibt es 27 Millionen US-Dollar Gesamtprämie, für den Verlierer nur 25 Millionen.
Hakan Sükür (r.) bejubelt mit Ilhan Mansiz seinen Treffer gegen Südkorea 2002
Spiel um Platz 3 auch ein Fall für B-Mannschaften
Das Spiel um Platz 3 bleibt eine Partie, bei dem zwei enttäuschte Teams nach geplatzten Finalträumen aufeinandertreffen. Die Verbände sind laut Reglement verpflichtet, "mit dem bestmöglichen Team an allen Spielen der WM teilzunehmen, für die ihr Team vorgesehen ist". Eine Regel, die schwer kontrollierbar ist und außerdem häufig zumindest gestreckt wird, wenn Mannschaften im Spiel um Platz 3 landen. Am Samstag (16 Uhr) im Khalifa International Stadium wird sich zeigen, wie ernst Marokko und Kroatien die Partie nehmen.
Bei den bisherigen fünf deutschen Spielen im "kleinen Finale" waren beispielsweise stets die zweiten Torhüter im Einsatz. So durfte 2010 Jörg Butt für Manuel Neuer ins Tor, 2006 spielte Oliver Kahn für Jens Lehmann, 1970 Braunschweigs Horst Wolter (Foto) für Sepp Maier und 1958 Heinrich Kwiatkowski statt Fritz Herkenrath. Wolter erzählte bei "11 Freunde": "Im Hotel sagte Sepp zu mir: 'Horst, ich bin platt. Willst du beim Spiel um Platz drei in den Kasten?' Eine tolle Geste von ihm, der sich sonst nie ein Spiel entgehen ließ, selbst wenn er angeschlagen war." Deutschland gewann gegen Uruguay 1:0.
Auch 1934 lief es im Tor so: Hans Jakob (Jahn Regensburg) spielte für den damaligen Star-Torhüter Wilibald Kreß (Dresdner SC), Deutschland wurde Dritter. Das Spiel um Platz 3 wurde 1934 von den Nazis für ihre Propaganda ausgeschlachtet. Das NSDAP-Parteiorgan "Völkischer Beobachter" schrieb: "Ein Erfolg, der in erster Linie dem durch den Nationalsozialismus geschaffenen neuen deutschen Lebensgefühl der Bereitschaft und des Kampfes zuzuschreiben ist."
WM | Spiel um Platz 3 | Ergebnis |
---|---|---|
2018 | Belgien - England | 2:0 |
2014 | Brasilien - Niederlande | 0:3 |
2010 | Uruguay - Deutschland | 2:3 |
2006 | Deutschland - Portugal | 3:1 |
2002 | Südkorea - Türkei | 2:3 |
1998 | Niederlande - Kroatien | 1:2 |
1994 | Schweden - Bulgarien | 4:0 |
1990 | Italien - England | 2:1 |
1986 | Belgien - Frankreich | 2:4 n. V. |
1982 | Polen - Frankreich | 3:2 |
1978 | Italien - Brasilien | 1:2 |
1974 | Brasilien - Polen | 0:1 |
1970 | Uruguay - Deutschland | 0:1 |
1966 | Portugal - Sowjetunion | 2:1 |
1962 | Chile - Jugoslawien | 1:0 |
1958 | Deutschland - Frankreich | 3:6 |
1954 | Österreich - Uruguay | 3:1 |
1950 | nicht ausgetragen | - |
1938 | Brasilien - Schweden | 4:2 |
1934 | Deutschland - Österreich | 3:2 |
1930 | nicht ausgetragen | - |
EM seit 1980 ohne Spiel um Platz 3
Die UEFA trägt bei Europameisterschaften seit langem kein Spiel um Platz 3 mehr aus. Letztmals wurde der dritte Platz bei der 1980 in Italien ausgespielt, der Gastgeber unterlag der Tschechoslowakei im Elfmeterschießen. Das Interesse am "kleinen Finale" war aber oft sehr gering, 1976 kamen weniger als 7.000 Fans zum Spiel des Gastgebers Jugoslawien und der Niederlande.
Spiel um Platz 3 zwischen der Niederlande und Jugoslawien während der EM 1976.
In Südamerika wird bei der Copa América seit 1987 mit Unterbrechung ein Spiel um Platz 3 ausgetragen. Beim Afrika-Cup gibt es das "kleine Finale" fast seit Gründung des Wettbewerbs. Beim Asien-Cup wurde 2019 der Modus geändert, das Teilnehmerfeld erhöht und erstmals seit 1968 kein Spiel um Platz 3 ausgetragen. Beim Gold Cup in Nordamerika und bei der Ozeanienmeisterschaft wurde das Spiel unregelmäßig ausgetragen, zuletzt verzichteten beide darauf.
EM | Spiel um Platz 3 | Ergebnis |
---|---|---|
1980 | Tschechoslowakei - Italien | 1:1, 9:8 i. E. |
1976 | Niederlande - Jugoslawien | 3:2 n. V. |
1972 | Ungarn - Belgien | 1:2 |
1968 | England - Sowjetunion | 2:0 |
1964 | Ungarn - Dänemark | 3:1 n. V. |
1960 | Tschechoslowakei - Frankreich | 2:0 |