FIFA WM 2022 Portugal – die Stars in Ronaldos Schatten
In der portugiesischen Nationalmannschaft finden sich jede Menge Stars neben Cristiano Ronaldo. Will das Team bei der WM Erfolg haben, muss sich Trainer Fernando Santos vor allen Dingen auf sie konzentrieren.
Wenn Portugal am Donnerstag, 24. November, gegen Ghana in das Turnier startet, sind die Scheinwerfer der Weltöffentlichkeit natürlich auf einen gerichtet: Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro, kurz CR7. Kapitän, Rekordspieler, Rekordtorschütze, Heilsbringer und – in diesem Jahr - Unruheherd.
Der Superstar hatte nach einer enttäuschenden Saisonhälfte bei Manchester United, in der er sich häufig auf der Bank wiederfand, ein brisantes Interview gegeben. Ein Interview, in dem er Verein und Trainer "Verrat" vorwarf und die Schuld an der Situation überall anders sah, als bei sich selbst. Ronaldo hatte mit seinen Aussagen vermutlich vor allen Dingen ein Ziel: Den endgültigen Rauswurf bei Manchester United. Damit hatte er Erfolg. Am Dienstag gab der Verein bekannt, man habe den Vertrag mit dem Stürmer aufgelöst.
Ronaldo: Plötzlich entbehrlich
Das Problem, das Ronaldo bei Manchester hatte: Mit seinen 36 Jahren hat selbst der beste Athlet, den der Fußball vielleicht je hatte, mit Alterserscheinungen zu kämpfen. CR7 kämpft plötzlich nicht mehr darum, der beste Spieler der Welt zu sein; noch schlimmer: Er ist sogar entbehrlich geworden. Kaum Pressing, wenig mannschaftsdienliche Pässe, dazu jede Menge Starallüren und eine schwache Torausbeute: nur ein Tor in zehn Premier-League-Spielen. Ronaldo war für Manchester eine Belastung.
Nun geht er also als vereinsloser Spieler in die Weltmeisterschaft. Und auch wenn Ronaldo in der Nationalmannschaft eine Degradierung wie bei Manchester United nicht droht, ist Portugal bei Weitem nicht mehr so abhängig von ihrem Superstar wie in vergangenen Turnieren. Es ist kein Zufall, dass es nicht Ronaldos Tore waren, die in den WM-Playoffs die Qualifikation klarmachten. Es trafen die Offensivspieler, die neben ihm auf dem Platz standen: Otávio, Diogo Jota, Matheus Nunes und Bruno Fernandes.
Bernardo Silva: Guardiolas Musterschüler
In Ronaldos Schatten gibt es jede Menge großartige Fußballer, die jedoch bislang vor allen Dingen in ihren Vereinen glänzten. Allen voran Bernardo Silva. Der 28-Jährige ist bei Manchester City einer der Lieblingsschüler von Pep Guardiola und auch in Portugal so etwas wie der heimliche Star. Silva kann fast alle Positionen im Mittelfeld bespielen.
In Manchester kommt er fast überall zum Einsatz: Zentral, offensiv, links, rechts – selbst als Mittelstürmer hat Guardiola den 1,73-Meter-Mann auflaufen lassen. Und auch bei Portugal wechselt Silva zwischen Flügel und Zentrum. Dort ist Bruno Fernandes gesetzt. Ronaldos ehemaliger Teamkollege bei Manchester United, ist der Taktgeber der portugiesischen Nationalmannschaft.
Nunes "einer der besten Spieler der Welt"
Neben ihm wird Nunes stehen, den Guardiola in seiner leicht überschwänglichen Art kürzlich als "einen der besten Spieler der Welt" bezeichnet hatte. Auch wenn dieses Lob vielleicht zu hoch gegriffen ist, so ist Nunes so etwas wie der Prototyp des modernen Mittelfeldspielers. Gut in der Balleroberung, schnell beim Umschalten und ein unglaublicher Drang, die gegnerischen Reihen möglichst schnell zu überwinden. Der 24-Jährige liebt das schnörkellose Spiel, braucht meist nur wenige Ballkontakte, um seine Mannschaft näher zum Tor zu bringen.
Ein Außenverteidiger aus dem Fußballmanager
Mit Nuno Mendes hat Portugal-Trainer Fernando Santos einen der talentiertesten Außenverteidiger der Welt in seinen Reihen. Der 20-Jährige wechselte im Sommer für 38 Millionen Euro zu Paris Saint-Germain und brauchte dort nicht lange, um auch Kylian Mbappe zu beeindrucken: "Er ist außergewöhnlich. Ich kannte ihn nur aus dem Fußballmanager, aber was er hier macht, ist großartig." Auch der Defensiv-Fanatiker Santos wurde vom Youngster überzeugt und wird bei der WM auf diesen offensiven Außenverteidiger setzen.
Schweirige Aufgabe für Fernando Santos
Es gibt nicht mehr nur den einen Fußballgott bei Portugal. Es ist die Aufgabe von Trainer Santos, ein weniger monotheistisches Spielsystem auf den Platz zu bringen. Dann kann die Mannschaft weit kommen. Die Frage wird sein, ob er auch Ronaldo von einer Spielweise überzeugen kann, die nicht mehr nur auf ihn zugeschnitten ist.
Die Fehde mit Manchester United zeigt wieder einmal, dass das Ego des Superstars eine wichtige Komponente für den Erfolg seiner Teams ist. Zumal Ronaldo sich nun bei der WM für einen neuen Arbeitgeber empfehlen will. Doch vielleicht kommt er zur Erkenntnis, dass das mittlerweile am besten geht, wenn er sich in den Dienst der Mannschaft stellt.