FIFA WM 2022 Menschenrechtsorganisationen - "FIFA täuscht die Welt"
Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben ihre Kritik an der FIFA und der Vorbereitung der WM 2022 erneuert: Bei der Entschädigung von Gastarbeitern in Katar komme der Weltverband seiner Verantwortung nicht nach.
Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch, Amnesty International, FairSquare und Equidem forderten die FIFA in einer gemeinsamen Erklärung auf, den zu WM-Beginn ins Leben gerufenen "Vermächtnis-Fonds" für die Entschädigung von Arbeitern zu nutzen. Noch immer komme die FIFA nicht ihrer Verantwortung nach, Entschädigungen zu leisten.
"Viele Tausend Wanderarbeiter haben illegale Gebühren gezahlt, ihnen wurden Löhne gestohlen oder sie haben sogar ihr Leben verloren, um das lukrativste Sportereignis der Welt zu ermöglichen", sagte Steve Cockburn, Leiter der Abteilung für wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International. "Es wäre empörend, wenn der Fonds der FIFA den Beitrag dieser Menschen nicht anerkennen und sie für ihre Verluste nicht entschädigen würde."
"Vermächtnis-Fonds" bezieht Entschädigungen nicht ein
Die FIFA hatte zu Beginn der WM den "Vermächtnis-Fonds" angekündigt, der beispielsweise global die Bildung von Kindern vor allem in Entwicklungsländern unterstützen soll. Der Umfang des Fonds steht noch nicht fest, eine Entschädigung für Arbeiter wurde in diesem Zusammenhang nicht angekündigt.
Zahlreiche Fälle der Ausbeutung von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern im Zuge der Vorbereitungen der WM-Infrastruktur sind dokumentiert. Dabei geht es um unrechtmäßig erhobene Gebühren bei der Vermittlung, die Anwendung des zumindest offiziell abgeschafften Kafala-Systems, nicht gezahlte Löhne, Verletzung und Tod.
Human Rights Watch nennt Infantinos Aussagen "irreführend"
Die FIFA geht im Zusammenhang mit der WM 2022 in Katar von Rekordeinnahmen in Höhe von rund 7,5 Milliarden US-Dollar aus. Die Menschenrechtsorganisationen hatten die FIFA aufgefordert, 440 Millionen US-Dollar für Entschädigungen bereitzustellen. Die 440 Millionen US-Dollar entsprechen dem Gesamtpreisgeld, das die 32 teilnehmenden Teams kassieren, der Deutsche Fußball-Bund erhält für das Vorrunden-Aus beispielsweise 9 Millionen US-Dollar, der Weltmeister 42 Millionen.
FIFA-Präsident Gianni Infantino sprach bei einer Pressekonferenz am Tag vor der WM-Eröffnung davon, dass 350 Millionen bereits gezahlt worden seien und es Mechanismen gäbe, mit denen Arbeiter und ihre Angehörigen Entschädigungen anfordern könnten. "Das ist irreführend", kritisierte Human Rights Watch (HRW). "Die Arbeiter stehen beim Zugang zu Entschädigungen vor großen Hindernissen", so HRW. Einige würden seit Jahren auf ihren Lohn warten. Einzelheiten zur Verwendung der 350 Millionen US-Dollar gebe es nicht. Tirana Hassan, stellvertretende Geschäftsführerin von Human Rights Watch sprach mit Blick auf die FIFA von einer "finsteren Taktik, um sich ihrer menschenrechtlichen Verantwortung zu entziehen".
Entschädigung? Katar spricht von "Werbe-Gag"
Der stellvertretende FIFA-Generalsekretär Alasdair Bell hatte im Oktober im Europarat in Straßburg von einem "Interesse" der FIFA an der Gründung eines solchen Fonds gesprochen: "Es ist definitiv etwas, das wir vorantreiben wollen", sagte Bell, schränkte aber ein. "Es ist nicht die einfachste Sache, es umzusetzen." Der WM-Gastgeber erteilte einem Entschädigungsfonds eine Absage. Der katarische Arbeitsminister Ali bin Samich Al Marri nannte die Forderung der Menschenrechtsorganisationen nach einem Entschädigungsfonds gegenüber der Nachrichtenagentur AFP einen "Werbe-Gag."
In Katar gibt es weiterhin eine große Intransparenz im Umgang mit Todeszahlen durch die katarische Regierung. Laut Statistiken aus Katar sind generell mehr als 15.000 Menschen nicht-katarischer Staatsangehörigkeit seit der WM-Vergabe 2010 gestorben. Wie viele der Todesfälle davon im Zusammenhang mit WM-Projekten stehen, wird nicht veröffentlicht. Laut FIFA sind lediglich drei Arbeiter aufgrund von Arbeitsunfällen beim Stadionbau gestorben.
Der Generalsekretär des Organisationskomitees, Hassan al-Thawadi, sprach zu WM-Beginn von 400 bis 500 Menschen, die bei WM-Projekten ums Leben gekommen seien. Später teilte das Organisationskomitee mit, dass diese Zahl alle Arbeitsunfälle von 2014 bis 2020 umfasse und sich nicht nur auf WM-Projekte beziehe.