Thomas Müller (l) und Niclas Füllkrug (r)

FIFA WM 2022 "Doofe Frage" - Füllkrug bleibt auch bei Neuner-Diskussion cool

Stand: 29.11.2022 16:05 Uhr

Vor dem Spiel gegen Costa Rica (Donnerstag, 20 Uhr, Live-Ticker bei sportschau.de) steht Niclas Füllkrug im Fokus. Sein spätes Tor gegen Spanien hat ihn in die Pole Position für den Platz im Sturmzentrum gebracht. Seinen Wert für die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick hat der Spätberufene in kürzester Zeit unter Beweis gestellt.

Wer soll gegen Costa Rica auf der Neun spielen? Es war der einzige Moment auf der Pressekonferenz am Dienstag (29.11.2022), in dem sich Niclas Füllkrug etwas unwohl fühlte. Der sonst so abgezockte Mittelstürmer, der die zentrale Position übrigens auch auf dem Podium zwischen seinem Kollegen Thomas Müller und DFB-Pressesprecherin Franziska Wülle einnehmen durfte, schaukelte fast ein bisschen verlegen auf seinem Drehstuhl hin und her, ehe er antwortete - und auch wiederum nicht: "Doofe Frage, können wir weitermachen", fragte er und lächelte entwaffnend in die Runde.

Füllkrug: "Es ist noch nichts vollbracht"

Weglächeln und aussitzen ist eigentlich so gar nicht die Art des Bremers, der als Neuling in der Nationalmannschaft kein Blatt vor den Mund nimmt, sich selbst dabei aber nie in den Vordergrund stellt. Schon nach seinem späten Treffer zum 1:1 gegen Spanien hatte Füllkrug abgeklärt und fokussiert das große Ziel K.o.-Runde nicht aus den Augen verloren. "Es ist noch nichts vollbracht. Wir müssen diese Situation auch realistisch einschätzen", wiederholte er nun. "Es liegt nicht alles zu hundert Prozent in unserer Hand. Dementsprechend gab es für mich keinen Grund für irgendwelche Freudensprünge."

Muskelspiele - Müller bewundert Füllkrugs Bizeps

Nicht einmal seinen bei Werder etablierten "Mucki-Jubel" zeigte er bisher im Nationaldress. "Ich bin eigentlich nicht so der Riesenjubler", wehrte er entsprechende Fragen ab, während Müller ihm an den linken Bizeps fasste, der sich unter seinem Shirt wölbte. "Das ist schon ein gutes Ding hier", sagte er anerkennend. Aber Füllkrug ließ sich nicht aus der Reserve locken: "Manchmal lässt man sich feiern für ein Tor auf dem Platz, was am Ende gar nicht zum Sieg gereicht hat." Ebenso nüchtern hatte er nach eigenem Bekunden auch den 1:0-Sieg von Costa Rica gegen Japan zur Kenntnis genommen. "Ich bin eher ein Freund davon, auf sich selbst zu schauen. Es hätte uns wenig gebracht, wenn wir am Abend unsere Hausaufgaben nicht gemacht hätten", sagte er.

Müller über Füllkrug: Geiler Typ mit Killerinstinkt

Dass sich alle Blicke vor dem letzten Gruppenspiel auf ihn und einen möglichen Einsatz in der Startelf richten, scheint Füllkrug nicht sonderlich zu tangieren. Es kommt ihm zugute, ein Spätberufener zu sein. Mit 29 Jahren und der Empfehlung von zehn Bundesliga-Toren in dieser Saison feierte der gebürtige Hannoveraner erst im letzten Testspiel vor der WM sein Debüt im Nationaldress. In drei Länderspielen hat er zwei Treffer auf sein Konto gebracht, abgezockt und schnörkellos seinen Job gemacht.

Im DFB-Team brauchte er null Anlaufzeit, bewegt sich dort, als gehörte er schon Jahre als Stammspieler dazu und lebt seinen Mitspielern sogar vor, wie man auch unter Druck gelassen bleibt. Sein nur vier Jahre älterer Sturmkollege Müller lobte auf der Pressekonferenz den "Killerinstinkt zu meiner Rechten". Schon nach dem Spanien-Spiel hatte er Füllkrug geadelt: "Eine positive Bereicherung, ein unfassbar geiler Typ."

Füllkrugs Ehrgeiz hätte ihn fast scheitern lassen

Und einer, der offensichtlich in der Lage ist, aus seinen Fehlern zu lernen. Denn so bodenständig und entspannt Füllkrug bei der WM daherkommt, er kann auch anders. Wenn es nicht läuft und erst recht, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt, hat sich sein Ehrgeiz schon auf emotionalste Weise Bahn gebrochen.

Nachdem Füllkrug unter Hansi Flick zum Senkrechtstarter in der Nationalelf wurde, machte noch einmal ein Video die Runde, das ihn im Clinch mit Werders Profi-Chef Clemens Fritz zeigt - unzufrieden und motzend wegen seiner Reservistenrolle. Ein Ereignis, das im Herbst 2021 fast mit seinem Rauswurf beim damaligen Zweitligisten geendet hätte. Sein Verein selbst verbreitete den Ausschnitt aus einer Doku am Tag nach seinem Tor gegen Spanien via Social Media - ungläubig, dass es "Fülle" so weit gebracht hat: "Vor einem Jahr war es noch utopisch, dass Niclas #Füllkrug für die DFB-Elf bei einer Weltmeisterschaft ein Tor erzielt. Fülle hat einen langen, harten Weg hinter sich."

Für Füllkrug ist das inzwischen ein alter Hut: "Das Video gibt es schon lange, vorher war ich nur noch nicht so im Blickpunkt." In Bremen freuten sich alle jetzt mit ihm, "auch wenn sie das Ganze hier ein bisschen kritisch sehen, weil Werder natürlich ein Verein ist, der seinen Standpunkt immer ziemlich klar darstellt", sagte er.

Fans zurückhaltend - "Aufbruchstimmung hinbekommen"

Dass die WM-Stimmung in Deutschland bislang eher zurückhaltend ist, dazu hat er eine klare Meinung: "Ich habe das das erste Mal miterlebt, dass man teilweise das Gefühl hatte, ob sich der eine oder andere online mehr darüber freut, wenn wir Misserfolg haben, was ich schade finde", sagte er. Er habe es geliebt, eine WM als Deutscher aus der Ferne zu verfolgen, deshalb freue er sich extrem darüber, dass der Fußball seit dem Remis gegen Spanien wieder mehr im Vordergrund stehe. "Ich freue mich, wenn wir irgendwie eine Aufbruchstimmung hinbekommen, irgendwie eine WM-Stimmung hinbekommen. Es macht uns einfach glücklich, je mehr Unterstützung wir haben."

Gegen Costa Rica "griffig" und mit "richtig Bock"

Ob er gegen Costa Rica nun anstelle von oder mit Thomas Müller zum Einsatz kommt, scheint dem ehrgeizigen Füllkrug nicht so wichtig zu sein - Hauptsache es gibt danach noch weitere Jobs auf der WM-Bühne zu erledigen. "Griffig" müssten die deutschen Spieler dafür sein und alle Chancen nutzen, die sie bekommen können: "Wir haben richtig Bock auf das Spiel, ein Sieg ist Pflicht." Sprach's und verließ Arm in Arm mit Müller das Podium. Zwei Neuner, die bei Hansi Flick wohl beide gefragt sein werden, wenn am Donnerstagabend so viele Tore wie möglich gebraucht werden.