FIFA WM 2022 Portugal brilliert ohne Ronaldo - Bank-Champion wie 2016?
Beim portugiesischen Kantersieg im WM-Achtelfinale gegen die Schweiz gehörte Cristiano Ronaldo nicht zur Startelf. Dass es für seine Nation so gut lief, erinnerte an die EM 2016.
Der WM-Pokal ist die einzige Trophäe, die Cristiano Ronaldo noch fehlt. Unzählige Titel hat der Superstar mit seinen Klubs Manchester United, Real Madrid und Juventus Turin gesammelt, und auch mit der portugiesischen Nationalmannschaft war er bei der EM 2016 erfolgreich. Das Manko an dem Europameister-Titel vor sechs Jahren jedoch: Portugal gewann das Finale nahezu ohne Ronaldo.
Der Stürmer verletzte sich damals bereits in der Anfangsphase der Partie gegen Frankreich, die sein Team im Anschluss mit 1:0 nach Verlängerung gewann. Die Bilder, wie Ronaldo an der Seitenlinie mitfieberte und seine Mitspieler coachte, gingen um die Welt. Und nach den Eindrücken vom Dienstagabend könnte es ähnliche Szenen auch am 18. Dezember im Lusail Iconic Stadium in Katar geben.
Portugal ohne Ronaldo ein Kandidat auf den WM-Pokal
Beim 6:1-Achtelfinalerfolg gegen die Schweiz haben sich die Portugiesen nämlich durchaus eindrucksvoll in den Kreis der Titelfavoriten des WM-Turniers gespielt. Und das ohne Ronaldo. Fernando Santos hatte sich vor der Partie überraschend dafür entschieden, den 37-Jährigen auf die Bank zu setzen - und entschied goldrichtig.
Der Trainerveteran setzte stattdessen auf das Toptalent Goncalo Ramos. Der Stürmer von Benfica Lissabon hatte zuvor erst in drei Kurzeinsätzen 33 Minuten für die portugiesische Nationalmannschaft gespielt. Doch nach seiner Leistung werden schon bei dieser WM noch einige dazukommen.
Vertreter Ramos brilliert - und Ronaldo freut sich mit
Mit einem Dreierpack entschied Ramos die Partie nahezu im Alleingang. Das 1:0 erzielte der 21-Jährige per sattem Linksschuss (106 Stundenkilometer), beim 3:0 spitzelte er den Ball in Mittelstürmermanier durch die Beine des Schweizer Torhüters Yann Sommer und schließlich gab es per Lupfer die Krönung seines Arbeitstages zum 5:1.
Ronaldo, der in der 73. Minute eingewechselt wurde, musste sich all das von der Ersatzbank aus ansehen. Dieses Gefühl kennt der Superstar schon aus den vergangenen Monaten, bei Manchester United ereilte ihn dieses Schicksal auch mehrere Male, im Oktober verließ er das Spiel gegen die Tottenham Hotspur (2:0) deswegen sogar vorzeitig und sorge für einen Eklat. Schließlich kam es vor der WM nach einem Interview, in dem Ronaldo dem Klub "Verrat" vorwarf, zum Bruch und zur Vertragsauflösung. Ronaldo darf sich einen neuen Verein suchen und steht angeblich vor einem Wechsel nach Saudi-Arabien.
Bei Portugal ist Ronaldo jedoch ein ganz anderer Mensch. Schon vor dem Spiel zeigte sich der Kapitän des Teams trotz seiner neuen Rolle gut gelaunt auf der Bank. Und auch bei den Toren feierte er mit seinen Kollegen - und seinem Vertreter Ramos - statt neben dem Spielfeld zu schmollen.
Andere Spieler glänzen ohne den dominanten Ronaldo
Ronaldo gibt zu, dass er in seiner Karriere alle individuellen Rekorde brechen müsse, er bezeichnet sich als den "vollkommenen Spieler", da er "beidfüßig, kopfballstark, schnell und stark" sei. Er betont aber auch, dass der Mannschaftserfolg für ihn an erster Stelle stehe, weil nur so auch Individualisten - im besten Fall er - glänzen können.
Ohne Ronaldo auf dem Feld ist das eigentlich allen portugiesischen Offensivspielern gegen die Schweiz gelungen. Die Südeuropäer traten ganz anders auf als in den vergangenen Spielen, viel dynamischer, viel variabler, viel unabhängiger. Es tat Joao Felix, Bruno Fernandes, Bernardo Silva und Co. offenbar gut, dass mit Ronaldo der Spieler, der nahezu jedes Zuspiel für sich beansprucht, in diesem Achtelfinale nicht auf dem Platz war.
Manchester United holte mehr als doppelt so viele Punkte ohne Ronaldo
Das ist übrigens auch in Manchester so gewesen. In vier von 14 Ligapartien stand Ronaldo in der Startelf. United holte in diesen Partien insgesamt nur vier Punkte, einen Zähler pro Spiel also. Saß "CR7" zu Beginn auf der Bank oder gehörte nicht zum Kader, ergatterten die "Red Devils" jedoch 2,2 Punkte (22 in zehn Spielen).
Santos setzt trotzdem weiter auf Ronaldo - zumindest als Chef der Mannschaft. "Es gibt kein Problem mit dem Kapitän der Nationalmannschaft. Wir sind seit vielen Jahren Freunde. Er ist ein Musterbeispiel eines Kapitäns", sagte der portugiesische Trainer. Und trotzdem scheint sein Team offenbar von der Startelf-Degradierung zu profitieren. Dennoch könnte sich Ronaldo am Ende seiner Karriere zum WM-Bank-Champion krönen.