FIFA WM 2022 Iran schlägt Wales verdient - zwei Tore in der Nachspielzeit
Außenseiter Iran hat in der Gruppe B die Chance auf den Einzug ins WM-Achtelfinale mit einem 2:0 über Wales gewahrt. Die "Dragons“ enttäuschten und stehen vor dem Aus.
Irans Fußballer haben ihren Traum vom erstmaligen Erreichen der K.o.-Runde einer Weltmeisterschaft mit einem leidenschaftlichen Auftritt am Leben erhalten. Gegen Wales kamen sie am Freitag (25.11.2022) im Ahmed bin Ali Stadium in Al-Rayyan zu einem späten 2:0 (0:0)-Sieg.
Nach dem 2:6-Debakel zum Auftakt gegen England zeigten sich die Iraner enorm verbessert und hatten zunächst Pech, dass ein Abseitstreffer aberkannt wurde und zwei Mal der Pfosten im Weg stand. Die beiden Tore fielen erst in der Nachspielzeit.
Irans Trainer Queiroz: "Job noch nicht beendet"
Wales-Torhüter Wayne Hennessey hatte in der Schlussphase wegen groben Foulspiels die Rote Karte gesehen (86. Minute). Das Team um Kapitän Gareth Bale steht nun vor dem Aus, die "Dragons" haben in der Gruppe B nur einen Punkt auf dem Konto.
"Es wird sehr schwer, wir haben noch ein Spiel. Wir müssen uns gut erholen und dann noch einmal alles geben", sagte Bale. Irans Trainer Carlos Queiroz bemühte sich, die Euphorie in seinem Team einzufangen: "Wir haben unseren Job noch nicht beendet. In dieser Gruppe ist alles offen", sagte er. "Wir wollten die iranischen Fans beschenken - und das wollen wir noch einmal schaffen."
Beim Gruppenfinale am kommenden Dienstag (29.11.2022/20 Uhr live bei sportschau.de) trifft Wales im "Bruderduell" auf England, Iran spielt zum Abschluss zur selben Zeit gegen den politischen Erzfeind USA.
Iranische Spieler singen Hymne mit
Angesichts der seit mehr als zwei Monaten anhaltenden Proteste gegen das Mullah-Regime im Iran waren schon vor dem Anpfiff erneut alle Augen auf die Spieler des Außenseiters gerichtet: Würden sie, wie gegen England, erneut das Mitsingen der Nationalhymne verweigern?
Nein, alle Spieler, auch der Leverkusener Sardar Azmoun, der sich vor der WM mit den Protestierenden in der Heimat solidarisiert hatte, bewegten zumindest ihre Lippen.
Gholizadeh im Abseits - Irans Treffer zählt nicht
Sportlich zeigte sich die Mannschaft von Queiroz deutlich verbessert. Der portugiesische Trainer nahm insgesamt vier Änderungen in der Startelf vor und das war ausschlaggebend dafür, dass die Iraner ansehnlich kombinierten und zunächst deutlich mehr vom Spiel hatten.
Ein Treffer von Ali Gholizadeh wurde allerdings nicht anerkannt, weil der in Belgien spielende Profi nach einem Doppelpass mit Azmoun im Abseits stand (16.).
Hosseini vereitelt Moore-Chance
Vier Minuten vorher hatte Kieffer Moore die lautstarken walisischen Fans im Stadion tief durchatmen lassen. Der Bournemouth-Stürmer, nach dem 1:1 gegen die USA ebenfalls neu in der Startelf, sprang mit dem Fuß voran in eine perfekte Flanke von Connor Roberts von der rechten Seite.
Irans Torwart Seyed Hosseini vereitelte die Chance mit einer Glanztat. Die eigentliche Nummer eins, Alireza Beiranvand, der gegen England gleich in der Anfangsphase eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, sah es durch seine Gesichtsmaske mit Wohlwollen.
Im zweiten Teil der ersten Hälfte blieb die Partie zwar intensiv, Strafraumszenen waren allerdings Mangelware. Erst in der Nachspielzeit gab es nochmal Aufregung vor dem walisischen Tor, als Azmoun eine Flanke aus dem Halbfeld knapp verfehlte (45.+2).
Doppelchance Iran - die Pfosten stehen im Weg
Der Iran war auch nach Wiederanpfiff am Drücker, und erneut stand das Offensiv-Duo Azmoun/Gholizadeh im Fokus. Bei einer Doppelchance in der 52. Minute war der walisische Torhüter Hennessey bereits geschlagen, doch zunächst stand Azmoun der rechte Pfosten im Weg. Im zweiten Anlauf landete Gholizadehs Schuss aus 18 Metern an der linken Torbegrenzung. Azmoun musste nach einer guten Stunde wegen einer Verletzung am linken Bein vom Feld.
Seine Kollegen kämpften weiter verbissen um ihre Chance, im Turnier zu bleiben. Saeid Ezatolahi verfehlte das Tor der Waliser knapp (72.). Die Waliser wachten erst in der Schlussphase auf. In der 83. Minute lenkte der starke iranische Ersatzkeeper Hosseini einen Distanzschuss von Ben Davies über die Querlatte.
Wales-Keeper Hennessey sieht Rot
Fast im Gegenzug dann der erste richtige Fair-Play-Aufreger. Der walisische Torwart rammte weit außerhalb des Strafraums den enteilten Mehdi Taremi brutal mit gestrecktem Bein in Brusthöhe um.
Wales-Keeper Wayne Hennessey tritt Mehdi Taremi um.
Schiedsrichter Mario Escobar aus Guatemala zückte zunächst die Gelbe Karte, korrigierte sich aber nach Intervention der Videoassistenten und schickte Hennessey mit dem ersten Platzverweis des Turniers vom Feld (86.).
Torschütze Chesmi: "Sieg der Solidarität"
Am Ende belohnten sich die Iraner für ihren aufopferungsvollen Kampf aber doch noch mit zwei Toren in der Nachspielzeit. Rouzbeh Cheshmi zimmerte einen Fernschuss aus 20 Metern flach ins rechte Eck (90.+8).
Danach entlud sich im "Team Melli" der Druck der vergangenen Tage im Jubeltaumel - erst recht als Ramin Rezaeian nach einem Konter noch einen draufsetzte (90.+11). "Heute waren wir mental bereit. Das war ein Sieg der Solidarität", sagte Torschütze Chesmi.