FIFA WM 2022 Marokko nach spanischem Elfer-Debakel im WM-Viertelfinale
Marokko hat gegen Spanien die Sensation geschafft und zum ersten Mal ein Viertelfinale bei einer Fußball-Weltmeisterschaft erreicht. Torhüter Bono wurde beim 3:0 im Elfmeterschießen zum Nationalhelden. Vorher waren in der regulären Spielzeit und Verlängerung keine Tore gefallen.
Beim Anblick der ersten 20 Minuten des Spiels zeigte sich, dass die Rollen zwar klar verteilt waren, die Überlegenheit der favorisierten Spanier vielleicht aber nur oberflächlich war. Der Gruppengegner der deutschen Mannschaft hatte 70 Prozent Ballbesitz und zeigte bei weit über 90 Prozent Passquote seine Klasse am Spielgerät.
Marokko kämpferisch und zielstrebig
Marokko aber hatte weit mehr als leidenschaftlichen Kampf dagegenzusetzen. Wenn die Nordafrikaner nach vorne kamen, geschah dies deutlich zielstrebiger als beim Gegner. 55 Prozent der Zweikämpfe gingen zu diesem Zeitpunkt an Marokko, der Außenseiter spielte extrem intensiv, aber keineswegs unfair. Und er hatte den einzigen Torschuss. Achraf Hakimi schoss aus 20 Metern per Freistoß knapp über das Tor (12. Minute).
Amrabat gibt den Staubsauger, Bono baut Spanien kurzzeitig auf
Was die Marokkaner so stark machte: In Person von Sofyan Amrabat hatten sie das Zentrum gut im Griff, der Sechser räumte nahezu alles ab, was in seine Richtung kam. Dazu kam die Ballsicherheit von Hakimi, Hakim Ziyech und Sofiane Boufal. Die zeigte auch Torhüter Bono, den Spaniern als Keeper des FC Sevilla bestens bekannt, eine Ungenauigkeit von ihm sorgte aber für eine kurzfristige Veränderung im Spiel.
Spanien verpasst die Führung nur knapp
Zwar lag im Anschluss an seinen haarsträubenden Fehlpass eine Abseitsposition vor, die einen Lattenschuss nichtig machte (25.), doch Spanien schöpfte aus dieser Aktion Selbstvertrauen. Kurz darauf spielte Aymeric Laporte einen punktgenauen Pass über 40 Meter auf Marcos Asensio, der bei seinem Schuss ans Außennetz nur knapp die spanische Führung verfehlte (26.).
Boufal stellt Spanien vor Probleme
Die Passkünstler forderten Marokko nun mehr, doch der überraschende Sieger der Gruppe F zeigte, dass dieses Ergebnis kein Zufall war. Das Team von Trainer Walid Regragui befreite sich fußballerisch aus dieser kurzzeitigen Druckphase und hatte durch Noussair Mazraoui vom FC Bayern den nächsten gefährlichen Abschluss des Spiels - Torhüter Unai Simon konnte den Fernschuss jedoch parieren (33.).
Wirklich gefährlich wurde es dann zehn Minuten später. Boufal setzte sich wiederholt mit einem Dribbling auf der linken Seite durch und flankte präzise auf den Kopf von Nayef Aguerd. Der Innenverteidiger köpfte jedoch knapp drüber (43.). Kurz darauf wurde es schon wieder gefährlich im spanischen Strafraum, Laporte konnte im letzten Moment vor dem einschussbereiten Youssef En-Nesyri klären (44.).
Marokkos Sofiane Boufal lässt Spaniens Gavi stehen
Spanien offensiv ohne Durchschlagskraft
Es machte durchaus Eindruck, wie sehr Marokko die Spanier in Schach halten konnte. Nur einen Torschuss gab der Favorit in der ersten Halbzeit ab, so wenig waren es bei einer WM seit 1998 nicht mehr. Im zweiten Durchgang dauert es dafür immerhin nur neun Minuten, bis es den zweiten Versuch gab, Bono hatte mit dem indirekten Freistoß von Dani Olmo aber keine großen Probleme (55.).
Ansonsten gelang es Marokko weiterhin, das Spiel ausgeglichen zu halten. Spanien hatte zwar den Ball, aber in Räumen, die für die gegnerische Defensive unproblematisch waren. Entsprechend war es auch in der zweiten Halbzeit eine Partie, in der Höhepunkte äußerst rar gesät waren. Marokko bewies wieder, dass die Defensive das Prunkstück des Teams ist. In der Gruppenphase kassierte das Team nur ein Gegentor und bekam zwei Torschüsse auf das eigene Gehäuse.
Marokko platt, aber mit großem Herzen
Spanien gelang es jedoch, keine gegnerischen Konter mehr zuzulassen. Entsprechend machten eigentlich beide Teams nicht den Eindruck, das Spiel in der regulären Spielzeit entscheiden zu können. Wobei bei Marokko offensichtlich die Kräfte nachließen. Wenig überraschend jedoch, weil die Mannschaft nach zwei Dritteln der zweiten Hälfte über 75 Minuten lang hinterlaufen musste - Spanien hatte da deutlich über 70 Prozent Ballbesitz.
Die Spieler des Außenseiters quälten sich durch das Spiel, immer wieder plagten sie Krämpfe, es gab muskuläre Verletzungen, nach 84 Minuten hatte Marokko alle fünf Wechselmöglichkeiten ausgeschöpft. Aber mit der Unterstützung der frenetischen Fans, die die Partie zu einem Heimspiel für das Team machten, hielten sie dem spanischen Druck stand, bekamen jedes Mal noch einen Fuß an den Ball und hielten das Spiel vom eigenen Tor entfernt.
Bis zur fünften Minute der Nachspielzeit. Da flankte Olmo den Ball per Freistoß in den Strafraum - und weil niemand die Hereingabe berührte, wurde sie am Ende zum gefährlichsten Schuss der Spanier. Bono konnte mit einem Reflex retten und brachte Marokko in die Verlängerung.
Cheddira vergibt den Matchball für Marokko
Dort schaffte es Marokko - trotz aller schwindenden Kräfte - weiterhin, das Bollwerk dichtzuhalten. Und dann hatte Walid Cheddira die riesige Möglichkeit zum Führungstreffer. Aus acht Metern schloss er jedoch zu unpräzise ab und gab Simon so die Gelegenheit, den Schuss abzuwehren (104.).
Danach passierte fast nichts mehr. Erst in der letzten Minute der Verlängerung wurde es richtig dramatisch. Pablo Sarabia hatte in der 123. Minute aus kurzer Distanz den Sieg für Spanien auf dem Fuß, traf jedoch den Pfosten. Und so ging es ins zweite Elfmeterschießen des Turniers nach dem Sieg der Kroaten gegen Japan am Montag (05.12.2022).
Kein Spanier trifft im Elfmeterschießen - Bono hält wie ein Held
Und es war nicht der letzte Pfostentreffer des 30-Jährigen. Beim Stande von 1:0 traf Sarabia erneut Aluminium und verschoss als erster Spieler. Im Anschluss traf Ziyech und dann brachte Bono die Marokkaner ganz nah ans Viertelfinale, als er den Versuch von Carlos Soler parierte. Doch auch Badr Banoun versagten im Anschluss die Nerven, Bono schlug aber wieder zu und parierte gegen Sergio Busquets. Hakimi verwandelte dann unglaublich cool per Chip und schoss Marokko erstmals in ein WM-Viertelfinale.