FIFA WM 2022 Aurelién Tchouameni - Frankreichs Antreiber, der kein Anführer sein will
Aurelién Tchouameni überzeugt bei der WM 2022 als Sechser der französischen Nationalmannschaft. Was zeichnet den erst 22-jährigen Mittelfeldspieler von Real Madrid aus?
Frankreich steht vorzeitig im WM-Achtelfinale - und doch herrschte beim Titelverteidiger nach dem 2:1-Erfolg gegen Dänemark große Aufregung. Mittendrin: Aurelién Tchouameni.
Zuvor hatte die französische Sportzeitung "L'Equipe" berichtet, dass der 22-jährige Mittelfeldspieler geäußert habe, das verletzungsbedingte Fehlen von Weltfußballer Karim Benzema sei positiv für die Stimmung im französischen Nationalteam.
Tchouameni dementiert Berichte
Gegenüber dem Radiosender "RMC" räumte Tchouameni schnell mit den Gerüchten auf. Diese seien "völlig falsch", so der Real-Profi. Die Stimmung innerhalb der Mannschaft sei "immer gut" gewesen, auch mit Benzema seien "die Dinge sehr gut gelaufen. Alle sind sehr traurig über seine Verletzung."
Tchouameni war die Aufmerksamkeit sichtlich unangenehm. Der 22-Jährige steht lieber auf dem Spielfeld im Mittelpunkt - und das ist wörtlich zu nehmen. Er war in den bisherigen französischen Spielen bei der WM 2022 in Katar als alleiniger Sechser der zentrale Mittelfeldspieler der "Equipe Tricolore".
Tchouameni/Rabiot wie einst Kanté und Pogba
Tchouameni hat im französischen 4-1-4-1-System die Rolle, die N’Golo Kanté bei der EM 2021 und vor allem bei der WM 2018 so überzeugend ausgefüllt hatte. Während Kanté bei den vergangenen Turnieren Paul Pogba als Achter vor sich hatte, nimmt im Fall von Tchouameni Adrien Rabiot diese Position ein. Ähnlich wie beim Duo Kanté/Pogba, das bei dieser WM verletzt fehlt, funktioniert auch die Zusammenarbeit zwischen Tchouameni und Rabiot.
Tchouameni hält die Stellung, egal, wer gerade im Angriff ist. Und bei gegnerischem Ballbesitz lässt Rabiot sich fallen, um neben dem Real-Profi die Lücken zu schließen. "Ich verstehe mich sehr gut mit Adrien Rabiot", sagte Tchouameni über das Zusammenspiel und die Arbeitsteilung im französischen Mittelfeld: "Es wird mit jedem Spiel stärker."
Auf jeden Fall hat der erst 22-jährige Tchouameni von seinem Nationaltrainer Didier Deschamps viel Verantwortung aufgebürdet bekommen - und er wird dieser gerecht. Er stand gegen Australien 77 Minuten auf dem Feld und wurde beim Endstand von 4:1 ausgewechselt.
Bei der engen und umkämpften Partie gegen Dänemark (2:1) spielte Tchouameni durch.
Ablösesumme von bis zu 100 Millionen Euro
Gegen die Skandinavier zeigte Tchouameni, warum Champions-League-Sieger Real Madrid ihn im letzten Sommer unbedingt holen wollte und letztlich für eine Ablösesumme von bis zu 100 Millionen Euro von der AS Monaco verpflichtet hat.
Tchouameni agierte gegen die Dänen unglaublich passsicher und fand überhaupt nur einmal nicht den eigenen Mann. Er eroberte neun Bälle, warf sich in die Zweikämpfe, stopfte Löcher und beging dabei nur ein einziges Foul.
Tchouameni soll "für das Gleichgewicht sorgen"
Er erfüllte genau die Aufgabe, die Coach Deschamps ihm zugedacht hat - die als Antreiber, der nach Ballgewinnen die Position hält. "Ich soll für das Gleichgewicht der Mannschaft sorgen", sagte Tchouameni dazu: "Es geht darum, dass wir gewinnen und jeder seine Rolle erfüllt."
Das ist typisch für Tchouameni: Für ihn steht die Mannschaft über allem - und er scheint ständig dazuzulernen, sich ständig zu steigern. In Monaco war er in jungen Jahren bereits absoluter Leistungsträger. Bei den "Königlichen" passte er sich dann schnell an das höhere Niveau an und kam in 14 Ligaspielen schon neunmal zum Einsatz. Er stand dabei über 900 Minuten auf dem Feld.
Für die Nationalmannschaft lief Tchouameni bisher 16-mal auf - wirkt dabei aber schon deutlich routinierter.
Lernen von Kroos und Modric
Auch in dieser Hinsicht profitiert er von seinem Wechsel zu Real. Dort kann er sich von Toni Kroos und Luka Modric, beide wie er in der Mittelfeldzentrale beheimatet, viel abschauen. "Man lernt jeden Tag, wenn man mit ihnen arbeitet", sagte Tchouameni.
Antreiber der "Bleus" ist er also, aber ist er auch ein Anführer? Seine Rolle auf dem Feld würde ihn dafür prädestinieren - er selbst sieht sich aber nicht als solcher. Auf der Pressekonferenz vor dem letzten Vorrundenspiel des Titelverteidigers gegen Tunesien (30.11.2022, 16.00 Uhr) wurde Tchouameni gefragt, ob der das Gesicht einer "neuen französischen Generation" sei.
Tchouameni will immer weiter lernen
"Es sind einige Spieler dabei, mit denen ich im Nachwuchsbereich zusammengespielt habe. Ich würde mich aber nicht als ihren Anführer bezeichnen", sagte Tchouameni: "Ich versuche hingegen, maximal viel von den erfahrenen Spielern zu lernen."
Zu den weiteren jungen Spielern zählen etwa Eduardo Camavinga (Real Madrid, 20 Jahre), Youssouf Fofana (AS Monaco, 23), Boubacar Kamara (Aston Villa, 23) oder William Saliba (FC Arsenal, 21).
"Wir werden bereit sein"
Nach dem Spiel gegen Tunesien geht es für Frankreich in die K.o.-Runde - die heiße Phase des Turniers. Tchouameni ist schon heiß darauf. "Ab dem Achtelfinale geht es gegen die besten Mannschaften der Welt. Dann kann sich niemand mehr verstecken", blickte er voraus und ergänzte: "Egal, gegen wen es geht. Wir werden bereit sein." Er ist es bereits jetzt. Wie immer Antreiber. Noch nicht als Anführer.