Endspiel gegen Rom Europa League - und am Ende immer dieser FC Sevilla
Quer durch die Generationen schreibt der FC Sevilla seine Erfolgsgeschichte in der Europa League fort. Im Finale trifft Sevilla heute auf AS Rom (31.05.2023, 21 Uhr, im Live-Ticker bei sportschau.de). Im Verein erklärt man sich die Erfolgsgeschichte mit mystischer Hingabe.
Kürzlich zogen die Anhänger des Sevilla FC vor einem Europa-League-Heimspiel zum Haus des Mannes, mit dem alles begann. Antonio Puerta lebt leider nicht mehr, er brach 2007 auf dem Platz zusammen, bis heute klatschen sie im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán die Spielminute 16 – seine Rückennummer – rhythmisch durch. Und nun sangen die Fans zu seinen Ehren also auch vor der alten Wohnung gleich um die Ecke des Stadions. Sein Vater stand oben am Fenster und hatte Tränen in den Augen.
Alles begann gegen Schalke
Puerta schoss 2006 in der Verlängerung des Uefa-Cup-Halbfinales das einzige Tor einer knisternden Auseinandersetzung mit Schalke 04. Es gilt in Sevilla bis heute als das Tor, das die Geschichte des Klubs veränderte. Wie befreit gewann man das Finale gegen Middlesbrough dann gleich 4:0 und damit Sevillas ersten Titel seit dem Königspokal 1948. Eine Romanze nahm ihren Lauf, die im Europacup ihresgleichen sucht.
Denn nicht nur folgte im nächsten Jahr als erst zweite Mannschaft in der Uefa-Cup-Geschichte die Titelverteidigung. Auch nach der Umtaufe des Wettbewerbs in Europa League triumphierte Sevilla fröhlich weiter. 2014 bis 2016 am Stück und dann noch mal 2020 beim Corona-Finalturnier im Rheinland. Macht insgesamt sechs Titel. Keine andere Mannschaft kommt im zweiten Europacup auf mehr als drei.
"In der Europa League verwandeln wir uns"
Bevor die in all ihren sechs europäischen Finalen siegreichen Andalusier am Mittwochabend (31.05.2023) in Budapest auf den in all seinen fünf europäischen Finalen siegreichen Roma-Trainer José Mourinho treffen, sagt Sevillas Präsident Pepe Castro: "Sevilla hat ein besonderes Feeling für die Europa League. Wir sind nicht zufällig ihr König, denn wir setzen immer voll auf sie und sind dann zu allem fähig." Wenn Europa-League-Spiele nahen, so Castro, "dann verwandeln wir uns. Die Stadt, die Fans, die Spieler – alle verwandeln sich."
Der Mann hat gut reden, denn die Europa League hat Sevilla die Saison gerettet. Wieder einmal und mehr denn je. Noch als man zum Viertelfinalhinspiel bei Manchester United reiste, lag man in der Liga nur knapp vor einem Abstiegsrang und war beim dritten Trainer angelangt. Auch in Manchester wurde man teils vorgeführt, kurz vor Schluss lag man 0:2 zurück und es hätte auch doppelt so hoch stehen können.
Wenn sogar der Torwart trifft
Doch es ist eben die Europa League – der Wettbewerb, in dem Torwart Andres Palop in der 94. Minute des Achtelfinales 2007 bei Schachtar Donezk mit einem Kopfballtreffer die Verlängerung erzwang. Der Wettbewerb, in dem Stéphane M’bia in derselben Minute 2014, ebenfalls per Kopf, das scheinbare Ausscheiden im Halbfinale gegen Valencia in ein Weiterkommen umwandelte. Der Wettbewerb, in dem Sevilla immer noch einen Schritt weiter geht und über den Regisseur Ivan Rakitic sagt: "Wenn es heißt, niemand will ihn so wie wir, dann nicht, weil sich das irgendein Schlaumeier ausgedacht hat."
In den letzten Minuten von Manchester glich Sevilla durch zwei Eigentore des Gegners noch zum 2:2 aus. Es war der Wendepunkt einer "sehr harten Saison" (Castro). Unter anderem wurde United im Rückspiel mit 3:0 aus dem Stadion geschossen.
Auch Newcomer werden schnell zu Experten
Sevilla legt jetzt wieder die Intensität an den Tag, die für die Spielweise des Klubs seit Jahrzehnten typisch ist. Der kurz vor dem Viertelfinale vermeintlich nur als Notlösung gekommene Trainer José Luis Mendilibar, ein Pressing-Fanatiker, hat sich insofern als Ideallösung erwiesen. Zwar hatte der 62-Jährige außerhalb des abgeschafften Intertoto-Cups vorher noch nie in einem internationalen Wettbewerb gecoacht. Aber dieses Manko behebt Sevillas Geschichte ja praktisch von allein.
Denn der Mythos von Sevilla und der Europa League lebt unabhängig von Personen und Generationen. Rakitic etwa war beim Titel 2014 dabei. Kapitän Jesús Navas bei denen 2006 und 2007 – und dann wieder 2020. Die einzige Konstante ist Sportdirektor "Monchi" Rodríguez. Er stellt durch sein sagenumwobenes Geschick am Transfermarkt immer wieder Kader zusammen, die es mit weit reicheren Vereinen aufnehmen können – wie mit Manchester oder danach mit Juventus Turin im Halbfinale.
Nur Gruppendritter? Umso besser!
In der Liga gibt es nun einen Spieltag vor Schluss statt Abstiegssorgen der ersten zwei Saisondrittel sogar noch die Chance auf den Einzug in die Conference League. Doch standesgemäßer wäre natürlich ein Triumph gegen Rom und damit der Einzug in die Champions League. In der ist Sevilla übrigens der wohl einzige Verein, bei dem dritte Gruppenplätze ausgiebig gefeiert werden, denn die Fans wissen dann: Es geht in die Europa League. Und in der gewinnt am Ende ja immer Sevilla.