Basketball-Europameisterschaft "Unser größtes Ziel ist zu zeigen, dass die Mannschaft dazugehört"
Am Donnerstag beginnt in Slowenien und Israel die Basketball-Europameisterschaft der Frauen. Mit dabei ist das deutsche Nationalteam. Erstmals seit 12 Jahren gelang die Qualifikation. Mit prominenter Unterstützung soll das Turnier zu einem Erfolg werden. Denn seit Ende April hat an der Seitenlinie eine Top-Trainerin das Sagen: Lisa Thomaidis. Als Nationaltrainerin führte die Kanadierin schon ihr Heimatland in die Weltspitze.
Sportschau: Was wussten Sie über den deutschen Frauen-Basketball, als sie das Angebot erhielten, Bundestrainerin zu werden?
Lisa Thomaidis: Um ehrlich zu sein, als man mich fragte, wusste ich fast gar nichts über das deutsche Team. Erst, als sich mir diese überraschende Option bot, habe ich intensiv geguckt, wer die Spielerinnen sind, wie es um die Geschichte des Nationalteams bestellt ist. Seitdem aber ist meine Lernkurve extrem steil.
Sportschau: Wie kam der Kontakt zum deutschen Verband überhaupt zustande?
Lisa Thomaidis: Der entscheidende Faktor war der deutsche Männer-Nationalcoach Gordon Herbert, der wie ich Kanadier ist. Er ließ mich wissen, dass es da eine freie Stelle gäbe, und fragte, ob ich interessiert sei. Mein erster Gedanke war: warum nicht? Große Herausforderung, große Gelegenheit. Etwas völlig Neues für mich. Je mehr ich mit dem deutschen Verband sprach, desto spannender wurde es.
Ich habe mir dann als erstes die Spiele des Teams in der EM-Qualifikation online angeschaut. Manche Nationalspielerinnen haben schon in den USA gespielt, oder in größeren europäischen Ligen. Es hat durchaus Spaß gemacht, mich da reinzufuchsen. Herauszufinden, wer ist wer? Welche Spielerin hat welche Stärken? Und daraus einen Plan zu entwickeln, welche Art von Basketball wir spielen wollen.
Sportschau: Als Nationaltrainerin Kanadas haben Sie große Erfolge gefeiert. Bei Olympia standen sie im Viertelfinale, bei der Weltmeisterschaft waren Sie Fünfte und Siebte. Da erscheint Ihr Schritt nach Deutschland durchaus als Abstieg.
Lisa Thomaidis: Als ich angefangen habe in Kanada, war die Ausgangssituation dort ganz ähnlich. Auch da hat der Aufbau der Mannschaft einige Zeit gedauert. Wir haben Geduld gebraucht, bis wir Resultate erzielt haben. Genauso sieht das jetzt hier in Deutschland aus. Wir stehen ganz am Anfang eines längeren Prozesses. Was die Perspektiven hier angeht, bin ich aber sehr optimistisch. Gerade mit der Austragung der Frauen-Weltmeisterschaft 2026 in Deutschland im Hinterkopf. Das ist wirklich gerade eine sehr spannende Zeit für den deutschen Basketballsport.
Sportschau: Wie schätzen Sie die Qualität Ihres Teams aktuell ein?
Lisa Thomaidis: Wir haben sehr viele junge Spielerinnen, denen noch ein wenig die Erfahrung fehlt, auf diesem Level zu bestehen. Einige wenige in der Mannschaft sind mit dieser Situation schon vertraut. Der Erfolgshunger ist riesig. Jetzt gilt es für uns den richtigen Mix zu finden, eine Spielweise, die zu uns passt. Wir legen gerade die Grundlage für mögliche zukünftige Erfolge.
Allein schon die erste Qualifikation für eine Europameisterschaft seit zwölf Jahren ist eine tolle Leistung. Vor allem, wenn man sieht, wie wenig gemeinsame Trainings- und Spielzeit das Team überhaupt nur hatte. Ich bin angetreten, das Ganze noch einen Schritt weiter nach vorn zu bringen.
Sportschau: Ihr wohl prominentestes Teammitglied ist Leonie Fiebich. Sie wurde gerade erst zur wertvollsten Spielerin in der spanischen Liga gewählt. Welche Rolle nimmt die Flügelspielerin in Ihrem Team ein?
Lisa Thomaidis: Leonie ist ein herausragendes Talent. Leider hatte sie ein wenig gesundheitliche Probleme in der Vorbereitung, denn wir brauchen sie sehr. Es macht einen großen Unterschied für das Team, ob sie auf dem Spielfeld steht. Mit ihr sind wir eine ganz andere Mannschaft.
Die deutsche Leonie Fiebich im Wurf
Sportschau: Auch Marie Gülich bringt mit ihren 1,95 Meter sehr viel Länge ins Team. Welche Bedeutung hat sie?
Lisa Thomaidis: Marie ist eine unserer Führungsspielerinnen. Sie hat Erfahrung auf allerhöchster Ebene, unter anderem in der Profiliga WNBA in den USA. Fast genauso wichtig ist die Leidenschaft, die sie für das Nationalteam empfindet. Sie will mit den Übrigen Erfolg haben. Es hilft uns natürlich auch als Gruppe weiter, dass sie da ist.
Sportschau: Sie hatten in der Vorbereitung jetzt die Möglichkeit, fast einen ganzen Monat mit Ihrer neuen Mannschaft zusammenzuarbeiten. Was trauen Sie Ihren Spielerinnen zu bei der Europameisterschaft?
Lisa Thomaidis: Ehrlich gesprochen, unser größtes Ziel ist zu zeigen, dass das Team dort dazugehört. Dass es seinen Platz verdient hat im Kreise der Top-Teams in Europa. Diese Qualifikation soll schließlich keine Eintagsfliege sein, auf die wir danach wieder zwölf Jahre lang warten müssen.
Aber es ist gar nicht so einfach, in den entscheidenden Momenten auf diesem Niveau zu bestehen, wenn einem bisher häufig noch die Erfahrung fehlt, so etwas erlebt zu haben. Ich sehe dieses Turnier auch als ganz wichtigen Startpunkt für zukünftige Erfolge.
Sportschau: Wenn Sie mit einer Mannschaft zusammenarbeiten, die seit vielen Jahren bei allen großen Turnieren nur Zuschauer war, ist es da besonders wichtig, den Spielerinnen erst einmal das Selbstvertrauen zu vermitteln, gegen diese internationale Konkurrenz überhaupt bestehen zu können?
Lisa Thomaidis: Ja, das ist wirklich eine große Hürde, solch ein Turnier noch nie erlebt zu haben. Diesen Glauben zu entwickeln, dass man dort wirklich zu Recht dabei ist. Doch die lange gemeinsame Vorbereitung, mit insgesamt sechs Testspielen, hat da schon sehr geholfen. Wir fühlen uns startbereit. Jetzt ist es meine Aufgabe, diesen Glauben an sich selbst auch während der Europameisterschaft weiterzuentwickeln.
Sportschau: In drei Jahren ist Deutschland, zum ersten Mal seit 1998, selbst Gastgeber der Frauen-Weltmeisterschaft. Inwiefern haben diese aktuellen Titelkämpfe jetzt schon eine Bedeutung, um die Stellung Ihrer Sportart hierzulande zu verbessern?
Lisa Thomaidis: Solch ein Event im eigenen Land zu haben, besser geht’s doch gar nicht. Da bekommt man eine Aufmerksamkeit, die mit nichts zu vergleichen ist, was den deutschen Basketballerinnen in vielen Jahren zuteilwurde. Solch eine Bühne müssen wir nutzen, um die nächste Generation zu inspirieren, selbst auch Teil dieser Mannschaft sein zu wollen.
Sportschau: Werden Sie selbst dann auch noch dabei sein?
Lisa Thomaidis: Das werden wir sehen. Schließlich habe ich aktuell noch einen Job in Kanada, als Trainerin an der University of Saskatchewan. Von daher kann ich noch keine Zusagen machen, die über diesen Sommer hinausgehen. Aber eines kann ich versprechen, mein Ziel ist es auf jeden Fall, mit diesem Team weiter zu arbeiten. Es macht mir großen Spaß. Von daher bin ich durchaus optimistisch, was die weitere Zusammenarbeit angeht.