Primoz Roglic (o.) vom Team Red Bull-Bora-hansgrohe feiert den Vuelta-Sieg mit dem Team
analyse

Rekordsieger der Spanien-Rundfahrt Roglic erfüllt Vuelta-Auftrag und nimmt Paris in den Fokus

Stand: 09.09.2024 12:42 Uhr

Primoz Roglic gewinnt zum vierten Mal die Vuelta a Espana und beschert seinem neuen Team Red Bull-Bora-hansgrohe den ersten großen Sieg in Spanien. Hauptziel bleibt aber weiter die Tour de France.

Von Tom Mustroph, Madrid

Zu "Primoz IV." hat man ihn nun erklärt in Spanien. Nicht, dass er der vierte spanische König namens Primoz ist. In der blaublütigen Herrscherriege sind Philipp, Ferdinand und Alfons die häufigeren Namen. Aber Primoz Roglic krönte sich zum vierten Mal zum Sieger der Spanienrundfahrt. "Es ist schön, erneut zu gewinnen. Ich genieße das jetzt, und denke nicht gleich an das fünfte Mal", sagte er lachend auf Nachfragen von Journalisten, die schon den nächsten Rekord im Auge hatten.

Vier Siege gelangen bisher nur dem Spanier Roberto Heras. Dem einstigen Edelhelfer von Lance Armstrong wurde freilich ein Sieg wegen Dopings erst aberkannt, dann aufgrund von Verfahrensfehlern aber wieder zuerkannt.

Schanzenpilot mit 21, Rekordsieger mit fast 35

Besonders ist Roglics Siegesserie in Spanien auch deshalb, weil der Slowene ein gelernter Schanzenpilot ist. Im Alter von 21 Jahren flog er noch über die Bakken. Mit 21 gewann sein Landsmann Tadej Pogacar seine erste Tour de France. Roglic hingegen bestritt sein allererstes World-Tour-Rennen im stolzen Alter von 27 Jahren. Und als fast 35-Jähriger – Ende Oktober hat er Geburtstag – holt er nun seinen vierten Vuelta-Sieg.

Roglic und die Vuelta, das passt. "Ich weiß auch nicht, warum, aber die Vuelta scheint mir zu liegen", sagte er fröhlich zu Beginn seiner insgesamt sechsten Teilnahme bei diesem Rennen. Ja, sie lag ihm wieder. Schnell holte er das Rote Trikot, bei der ersten Bergankunft auf der 4. Etappe. Aus einer Mischung aus Übermut und Berechnung trennte er sich davon auf der 6. Etappe.

Zwei große Hürden: Ausreißer O’Connor und Magen-Darm-Probleme im Team

"Die Idee von uns war schon, das Trikot wegzugeben", erklärte Road Captain Nico Denz der Sportschau. Allerdings war es nicht ganz geplant, dass ein gefährlicher Mann wie der Australier Ben O’Connor mehr als sechseinhalb Minuten Vorsprung bekommt und sich mit knapp fünf Minuten vor Roglic platziert. Roglic wurde deshalb der vierte Vuelta-Triumph ziemlich schwer gemacht. Bis zur drittletzten Etappe hatte der Slowene dann auch zu kämpfen, um sich das gewohnte Textil wieder überstreifen zu dürfen.

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Für die Spannung des Rennens war die Hase-und-Igel-Konstellation, das lange Aufholen von Roglic, perfekt. Er selbst schien auch überzeugt, die Sache hinzukriegen. Der früher oft angespannt wirkende Slowene gab sich locker, scherzte immer wieder. "Ich brauchte eigentlich gar nicht den Tagessieg. Aber einige Fahrer im Team hörten nicht auf mich", beschrieb er die entscheidende Attacke am Alto de Moncalvillo, die sein Team mustergültig vorbereitet hatte.

Das Trikot früh zu holen und dann wegzugeben passt ohnehin in Roglics spanisches Siegesmuster. Bereits bei seinen Triumphen 2020 und 2021 war das der Fall.

In diesem Jahr hatte er noch einen weiteren kritischen Moment zu überstehen. In den Reihen seines Rennstalls forderte am vorletzten Vuelta-Tag ein Magen-Darm-Virus zahlreiche Opfer unter Rennfahrern und Betreuern. Viele konnten nicht schlafen und gingen müde zum Start, wie etwa Florian Lipowitz erklärte, die deutsche Entdeckung dieser Vuelta mit Gesamtplatz sieben bei der ersten durchgefahrenen Grand Tour der Karriere.

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Andere stiegen sogar aus, wie der Kolumbianer Dani Martinez und der Österreicher Patrick Gamper. Denz verpasste das Zeitlimit. Roglic hatte ebenfalls zu kämpfen. 20 Mal sei er an diesem Tag auf die Toilette gegangen, sagte er mit gequältem Lächeln im Ziel. "Ich habe es im Magen gespürt. Es ist herausfordernd. Ich will es aber zu Ende bringen", bekundete er seine Entschlossenheit.

Das tat er dann auch. Zwar musste sich der Zeitfahrolympiasieger von Tokio dem zweifachen Europameister in dieser Disziplin, dem Schweizer Stefan Küng, auf der letzten Etappe geschlagen geben. Aber seine Konkurrenten um den Gesamtsieg hielt er auf Distanz.

Fünfter Grand-Tour-Sieg für Roglic, zweiter für seinen Rennstall

Und so konnte er als "Primoz IV." das Siegerpodium im Herzen der spanischen Hauptstadt besteigen. Für ihn war es ein normaler Auftritt, zum vierten Mal eben schon, außerdem gewann er im vergangenen Jahr den Giro. Da kommt Routine auf.

Für seinen Rennstall Red Bull-Bora-hansgrohe war es es hingegen etwas Besonderes. Der erste Grand-Tour-Sieg in der neuen Konstellation und der zweite Grand-Tour-Sieg überhaupt in der 15-jährigen Rennstellgeschichte nach dem Triumph 2022 beim Giro d’Italia. "Wenn man eine dreiwöchige Landesrundfahrt gewinnt, kann man, glaube ich, noch nicht davon sprechen, dass jemand über seinen Zenit hinaus ist", frohlockte Teamchef Ralph Denk in Bezug auf das Alter seines Vorzeigefahrers. In Profijahren ist Roglic ja auch erst sieben. Da ist noch viel Platz für weitere Taten. "Und wenn man mit Primoz hier vor Ort spricht, dann ist da immer noch ein Leuchten in den Augen", sagte Denk dem Deutschlandfunk und kündigte einen erneuten Anlauf auf das Gelbe Trikot der Tour de France im nächsten Jahr an.

Nächstes großes Ziel: Tour-Sieg

Das freilich ist auch ein Muster der Vuelta-Siege des Primoz Roglic. Er gewinnt in Spanien immer dann, wenn ihm zuvor eine andere Grand Tour durch die Lappen geht. 2019 vertändelte er zunächst den Giro d’Italia. 2020 gab er die Tour am vorletzten Tag aus der Hand. 2021 stürzte er bei der Tour wie auch in diesem Jahr. Dieses Muster einmal zu durchbrechen ist die größte Aufgabe für die weiteren Karrierejahre des Primoz Roglic. Denn lieber als "Primoz V." von Spanien würde er "Primoz I." in Frankreich werden.