Die legendärsten WM-Finals Golden Goal, Balsam nach Katastrophe und ein Rekord-Endspiel
Acht Weltmeisterschaften der Frauen sind bereits gespielt. Am Sonntag (20.08.2023) steht in Australien das Endspiel der WM 2023 an. Was ist bisher so passiert, welche Endspiele waren legendär? Wir haben im Archiv gekramt und die vier besten Finals ausgewählt - zweimal war das deutsche Team dabei.
Das letzte Spiel der WM in Australien und Neuseeland steht an. Am Sonntag (12 Uhr MESZ, im Audiostream, Liveblog und Liveticker bei sportschau.de) treffen Spanien und England vor über 75.000 Menschen im Olympiastadion von Sydney aufeinander. Doch was ist in den bisherigen Finals bei Weltmeisterschaften so passiert? Wir haben vier legendäre Endspiele ausgewählt.
2003: Golden Goal als "Tor des Jahres"
Deutschland gegen Schweden 2:1 n.V. - "Das waren Momente, die den Fußball verändert haben", sagte Ex-Bundestrainerin Tina Theune-Meyer später. Und Nationaltorhüterin Silke Rottenberg bekommt schon beim Gedanken an die Titelkämpfe 2003 auch Jahre später noch Gänsehaut. Die deutschen Frauen wurden erstmals Weltmeisterinnen - und wie. "Das war Teamgeist. Wir konnten die Mannschaft gar nicht aufhalten", so Theune-Meyer.
Der emotionale Höhepunkt des Turniers in den USA war für die deutschen Frauen bereits das Halbfinale, als sie die Gastgeberinnen und Titelverteidigerinnen überlegen mit 3:0 besiegten. Im Finale gegen Schweden brauchte Deutschland etwas Zeit, um ins Spiel zu finden. Und das letzte Spiel begann für die DFB-Elf wie das erste des Turniers: mit einem Gegentor. Wie im Auftaktspiel gegen Kanada musste auch das Theune-Meyer-Team erst mal einem Rückstand hinterherlaufen.
Kurz nach der Pause glich Maren Meinert aus, in der Verlängerung wurde das Endspiel dann legendär: Mit einem Kopfballtor, dem ersten Golden Goal der WM-Geschichte, entschied Nia Künzer das Duell für das deutsche Team. Der entscheidende Treffer, wuchtig aus acht Metern unter die Latte geköpft, wurde später zum Tor des Jahres gewählt.
Direkt nach dem Treffer gab es aber erst einmal Verwirrung auf dem Platz: Ist das Spiel jetzt wirklich vorbei, oder was? Ja, als Schiedsrichterin Cristina Babadac aus Rumänien den Ball forderte und abpfiff, war der Jubel der Deutschen grenzenlos.
Der WM-Sieg veränderte tatsächlich einiges: Die DFB-Frauen wurden in Deutschland von tausenden Fans auf dem Frankfurter Römer empfangen. Für den WM-Sieg gab es sogar Geld: Statt wie 1989 für den EM-Titel über ein Kaffeeservice durften sich die Weltmeisterinnen über 15.000 Euro freuen. Und es gab endlich eigene Trikots - mit einem eigenen Stern. Zuvor spielten die Frauen in den Trikots der Männer.
2007: "Bollwerk bremst Tänzerinnen"
Deutschland gegen Brasilien 2:0 - Eine berauschende Party nach dem WM-Triumph durften die deutschen Frauen auch 2007 auf dem Frankfurter Römer feiern. Mit ihrem Sieg gegen Brasilien unterstrich das Team seine Rolle als dominierende Fußball-Weltmacht. Zuvor war es keiner Nation gelungen, den Titel zu verteidigen. Die Deutschen pflügten geradezu durch das Turnier in China. Komplett ohne Gegentreffer in 540 Minuten (21:0 Tore) fuhr die Auswahl von Bundestrainerin Silvia Neid den erneuten WM-Triumph ein.
Dabei hatte Deutschland um Kapitänin Birgit Prinz wie schon im Finale 2003 in der ersten Halbzeit noch einige Probleme. Brasilien war das bessere Team, doch Torfrau Nadine Angerer ließ die Südamerikanerinnen, bei denen gerade der Stern von Weltfußballerin Marta aufzusteigen begann, immer wieder verzweifeln. Mit dem ersten guten deutschen Angriff brachte Prinz die DFB-Elf in Führung. Sie traf nach einem Konter (52.) und machte ihr 150. Länderspieltor. Brasilien rannte nun wütend an und hatte die Chance, per Elfmeter auszugleichen. Doch die überragende Angerer parierte gegen Marta (64.). Den Deckel drauf machte schließlich Simone Laudehr kurz vor dem Abpfiff (86.).
"Dies sollte die WM der Brasilianerin Marta werden, aber dann wurde es doch das Turnier der deutschen Oldtimerin Prinz", schrieb nach dem Turnier die spanische Sportzeitung "As". In der "Basler Zeitung" stand "Bollwerk bremst Tänzerinnen". Und der "Tages-Anzeiger" wusste: "Wohl noch nie hat ein Frauen-Team weltweit eine so starke Defensive besessen und taktisch so clever agiert."
2011: "Katastrophen vergessen - für einen Tag"
Japan gegen USA 5:3 n.E. - Ein großes deutsches Fußballfest sollte es auch 2011 geben – die deutschen Frauen und Fans freuten sich auf ein "Sommermärchen" wie bei der Männer-WM 2006. Doch es kam anders. Das DFB-Team schied bereits im Viertelfinale aus - gegen Außenseiter Japan nach zuvor 15 WM-Spielen in Folge ohne Niederlage.
Der Deutschland-Bezwinger, vor dem Turnier Weltranglisten-Vierter, schaffte es sogar ins Finale. Und auch hier war "Nadeshiko" gegen Olympiasieger und Weltranglisten-Spitzenreiter USA Außenseiter. Das US-Team mit Star-Stürmerin Abby Wambach und Torhüterin Hope Solo ging auch durch Alex Morgan in Führung (69.). Doch Aya Miyama schoss Japan in die Verlängerung (81.). Hier erneut die US-Führung, Wambach köpfte aus Nahdistanz ein (104.). Doch wieder kam Japan zurück. WM-Torschützenkönigin Homare Sawa machte nach 117 Minuten per Hacke das 2:2. Im Elfmeterschießen versagten dann gleich drei US-Amerikanerinnen die Nerven, Solo konnte dagegen nur einen japanischen Elfer halten.
Japan wurde so zum ersten Mal Weltmeister. Zu Hause bekam den Sieg aber kaum jemand mit, zur Zeit des Anpfiffes war es 4 Uhr Ortszeit. Die Zeitungen "Yomiuri" und "Mainichi" druckten eine Sonderausgabe, die in Tokio und Osaka verteilten 50.000 Exemplare waren am Morgen schnell weg. "Ich weiß gar nicht, ob das Realität oder ein Traum ist. Wir sind glücklich, jetzt sind wir die Nummer eins in der Welt", jubelte Sawa nach dem WM-Sieg.
Für Japan war der Erfolg wenige Monate nach dem Reaktorunglück von Fukishima "Balsam für die Seelen", wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb: "Katastrophen vergessen – für einen Tag". Die "Deutsche Presse-Agentur" schrieb: "Japan hatte niemand auf dem Zettel. Nicht Kraft oder Größe waren entscheidend". Und die "Japan Times" jubelte: "Japan nahm eine willkommene Auszeit von der monatelangen Tragödie. Nadeshiko erhebt eine ganze Nation."
2015 - Ein Finale der WM-Rekorde
USA gegen Japan 5:2 - Vier Jahre später durften die USA zur Revanche antreten. Im Finale der WM 2015 kam es im kanadischen Vancouver erneut zum Duell mit Japan. Die USA, bei denen die 30-jährige Megan Rapinoe im Mittelfeld glänzte, zogen ungeschlagen und mit nur einem Gegentor durchs Turnier. Im Halbfinale musste sich auch das DFB-Team den starken US-Ladies beugen. Die Weltranglisten-Ersten aus Deutschland unterlagen Rapinoe, Solo und vor allem der überragenden Carli Lloyd 0:2.
Nach drei Siegen in der Vorrunde zitterte sich Japan derweil mehr oder weniger durch die K.o.-Phase, warf mit späten Toren aber unter anderem die Niederlande und England raus.
Das Finale sollte sportlich ein Fußballfest werden, doch die Rahmenbedingungen waren eher nicht weltmeisterlich. Große Waldbrände wüteten in der Nähe von Vancouver, der Wind blies den Rauch auch in den mit mehr als 53.000 Zuschauern gefüllten BC Place von Vancouver.
Sportlich war das Endspiel legendär. Sieben Tore fielen beim 5:2, darunter einige Knaller für die Ewigkeit. Die USA überrollten Japan, nach 16 Minuten stand es 4:0. Lloyd erzielte den schnellsten Hattrick der WM-Geschichte, beim 4:0 in der 16. Minute traf sie von der Mittellinie. Das Tor wurde später für den Puskás Award für das weltweit schönste Tor nominiert. Japan konnte zwar noch einmal verkürzen, die US-Ladies kassierten das erste Gegentor nach 540 Minuten "weißer Weste". Mit 26,7 Millionen Fernseh-Zuschauern gab es einen neuen TV-Rekord in den USA.
Das Team von US-Trainerin Jill Ellis holte als erste Frauen-Nationalmannschaft zum dritten Mal einen WM-Titel. Später wurden sie in New York City dafür mit einer Konfetti-Parade geehrt – als erstes Fußballteam überhaupt.