Equal Pay und Equal Play Gleichberechtigung im Frauenfußball - großer Traum, riesige Hürden
Der Frauenfußball steht durch die WM im weltweiten Fokus, auch die Debatte um Equal Pay. Die FIFA hat große Versprechen für 2027 gegeben - in vielen Ländern hakt es aber bei den nationalen Verbänden.
Am Sonntag (20.08.2023) wird für die Spielerinnen der spanischen oder englischen Nationalmannschaft der größte Tag ihrer Karriere sein. Das liegt nicht nur daran, dass eines der Teams zum ersten Mal Weltmeister wird. Jede einzelne wird auch auf einen Schlag so viel Geld verdienen wie noch nie in ihrem Job als Fußballerin.
270.000 Dollar (etwa 250.000 Euro) bekommt jede Spielerin für den Finalsieg, nachdem die FIFA vor dem Turnier die Prämien für die Frauen auf ein Rekordniveau angehoben hat. Trotzdem muss man klar sagen: Es ist nur ein erster Schritt. Denn die insgesamt 100 Millionen Euro, die der Weltverband auszahlen wird, sind noch immer nur ein Viertel von den 440 Millionen Euro, die es im vergangenen Jahr für die Männer in Katar gab.
Der Weg zur Einlösung des Versprechens von FIFA-Präsident Gianni Infantino, bei der Frauen-WM 2027 die gleichen Prämien zu zahlen wie bei der Männer-WM 2026 ist also noch weit.
Gleiche Bezahlung ist für Rapinoe der größte Erfolg
Schon seit vielen Jahren kämpfen die Fußballerinnen dafür, fair vergütet zu werden. Der Frauenfußball boomt, spätestens seit der WM weltweit. Aber bei viel zu wenigen Spielerinnen kommt das auch finanziell an. In den USA haben sie es geschafft - vertraglich zugesichert vom nationalen Verband -, gleich bezahlt zu werden. Insgesamt ist die Situation dort jedoch nicht vergleichbar mit vielen anderen Ländern. Zum einen sind die viermaligen Weltmeisterinnen viel erfolgreicher als ihre männlichen US-Kollegen. Zum anderen standen laut "Forbes" beim WM-Turnier elf der 15 Spielerinnen, die jährlich das meiste Geld verdienen, im US-Kader.
Für Profis wie Megan Rapinoe oder Alex Morgan - sie kommen dank persönlicher Sponsoren auf Einnahmen von mehreren Millionen Dollar im Jahr - ist die Erhöhung der FIFA-Prämien also auf den ersten Blick keine große Sache. Doch die Aussagen von Rapinoe, die mit Titelverteidiger USA im Achtelfinale scheiterte, zeigen, wie wichtig es ihnen dennoch ist.
Auf einer Pressekonferenz wurde die 38-Jährige gefragt, was der größte Erfolg ihrer Karriere in der Nationalmannschaft gewesen sei. "Natürlich bei Weltmeisterschaften zu spielen und Meisterschaften zu gewinnen. Aber zu wissen, dass wir unser ganz besonderes Talent genutzt haben, um etwas zu tun, das die Welt wirklich für immer verändert hat, das bedeutet mir am meisten", sagte Rapinoe über den erfolgreichen Kampf für eine gleiche Bezahlung.
FIFA mit weitreichenden Veränderungen
Das Thema "Equal Pay" begleitet den Frauenfußball schon lange - und das wird absehbar auch so bleiben. Die FIFA hat sich dem verpflichtet mit ihrem Versprechen für 2027, sie hat aber auch schon gehandelt - nicht nur bei den Prämien für das Abschneiden. Jede Spielerin der teilnehmenden Nationen bekommt 30.000 Dollar für das Dabeisein - und damit mehr, als viele mit dem Fußball jährlich verdienen.
Laut FIFA liegt der durchschnittliche Jahresverdienst bei den Frauen bei 14.000 Dollar. Dass sie selbst das Problem erkannt hat und handelt, sorgte auch schon bei Almuth Schult für Freude. "Das gesamte Konstrukt kommt ins Rollen", sagte die deutsche Nationaltorhüterin. Wobei es eben nicht nur um Geld geht, sondern um eine Gleichbehandlung insgesamt. Und auch da hat die FIFA Zusagen gegeben: Spätestens 2027 würden die Frauen die gleichen Bedingungen bei der WM vorfinden wie ein Jahr zuvor die Männer.
Kapitänsbinden ein Zeichen für den Kampf gegen Ungerechtigkeiten
Das wollte der Weltverband auch beim aktuellen Turnier plakativ sichtbar machen. Er entwarf mehrere verschiedenfarbige Kapitänsbinden für die Teams mit Slogans für eine bessere Welt. Eine davon beschäftigt sich auch mit dem Thema Gleichberechtigung der Geschlechter, darauf ist "Unite for GENDER EQUALITY" zu lesen. Und wie sehr dieser Einsatz nötig ist, zeigten gleich mehrere Beispiele.
Jamaika und Nigeria im Clinch mit den eigenen Verbänden
Die jamaikanische Nationalmannschaft startete mit Hilfe der Tochter von Reggae-Ikone Bob Marley vor dem Turnier eine Crowdfunding-Aktion, um die Mittel für eine vernünftige Ausstattung zu bekommen. Derart gering war die Unterstützung des eigenen Landesverbands. "Man kann Männer- und Frauenfußball nicht vergleichen. Auf der einen Seite gibt es eine Welt, in der über Jahre hinweg viel passiert in Sachen Geld, andererseits ein System, das gerade erst in Gang gekommen ist", sagte Verteidigerin Allyson Swaby über den großen Unterschied. Mehr Aufmerksamkeit, Sichtbarkeit und Engagement seien die Hebel, die mehr Investitionen anziehen und einen positiven wirtschaftlichen Kreislauf schaffen könnten.
Das gilt auch in Nigeria. Das afrikanische Team hat sogar die Spielergewerkschaft FIFPRO eingeschaltet, um vom eigenen Landesverband Bonuszahlungen und andere Ausgaben einzufordern. Demnach reichen ausstehende Zahlungen teilweise bis ins Jahr 2021 zurück.
Gregorius: Spielerinnen sollen bekommen, was ihnen zusteht
Unter anderem setzt sich die ehemalige neuseeländische Nationalspielerin Sarah Gregorius in der Gewerkschaft weltweit für die Spielerinnen ein - entsprechend auch nun für die nigerianischen. "Sie müssen für ihre Dienste bezahlt werden, weil das harte Arbeit ist und anerkannt werden muss. Das ist auch ihr Recht. Diese Spielerinnen sind mittlerweile absolute Profis, auf und neben dem Platz. Sie geben alles, um für Nigeria zu spielen und dann erwarten sie auch, professionell behandelt zu werden", sagte sie in einem Deutschlandfunk-Podcast.
Insgesamt hätten viele Nationalverbände "nicht mit der Professionalisierung der Spielerinnen und ihren Anforderungen mitgehalten", so Gregorius. Die Fußballerinnen wollten, was anderen Arbeitnehmern auch zusteht - und ein gesundes Arbeitsklima. "Das schließt mit ein, pünktlich bezahlt zu werden und sich so auf ein Turnier vorbereiten zu können, wie es sich für ein Team mit Superstars gehört, die für Barcelona, Madrid und die größten Klubs in den USA spielen."
"Equal Play" - Kampf für bessere Rahmenbedingungen
Dabei ist "Equal Pay" für viele gar nicht der wichtigste Kampf. "Equal Play" nennen viele als noch wichtigeres Ziel. So klagte die in den USA geborene nigerianische Nationalspielerin Ifeoma Onumonu über unwürdige Fußballplätze, auf denen Nigeria in der Vorbereitung spielen musste - steinig und voller Unebenheiten. Auch die deutsche Nationalspielerin Svenja Huth setzt sich vorrangig für gleiche Bedingungen ein: "Wir schielen nirgends hin, kämpfen aber für unsere Themen. Das hat nichts mit 'Equal Pay', sondern mit 'Equal Play' zu tun. Die Rahmenbedingungen sollen noch besser werden, um den Frauenfußball weiterzuentwickeln."
In der Bundesliga verdienen viele Spielerinnen nahezu nichts
"Die Teams müssen einen eigenen Trainingsplatz, eine eigene Kabine zur Verfügung haben. Das ist die Grundlage, um professionell als Athletin arbeiten zu können", hatte auch Schult gefordert. Sie sprach damit die Bedingungen in Deutschland an, einem Land, wo der Frauenfußball deutlich besser gestellt ist als in Nationen wie Jamaika und Nigeria. Doch selbst hier sind die Bedingungen vielerorts noch nicht an den Aufstieg des Sports angepasst worden - auch finanziell nicht.
"Uns geht es nicht darum, dass wir die Millionen ausschöpfen, wie es die Männer tun. Aber man muss sich einfach ein bisschen annähern", sagte Lina Magull. Laut DFB verdienen die Spielerinnen in der Liga durchschnittlich 3.500 Euro im Monat - da sind aber die Topprofis wie Alexandra Popp und Lena Oberdorf, die einen fünfstelligen Betrag verdienen, mit eingerechnet. Nach einer Sportschau-Umfrage bekommt ein Drittel der Spielerinnen maximal 500 Euro im Monat, einem Viertel der Spielerinnen werden nur Fahrtkosten erstattet.
Neuendorf kündigt Gespräche an
DFB-Vizepräsidentin und Ex-Nationalspielerin Celia Sasic fordert daher: "Immer mehr Mädchen und Frauen spielen Fußball und deshalb sollten sie auch die gleichen Rahmenbedingungen erhalten." Das gelte sowohl für die Nachwuchsförderung und das Training auf dem Platz als auch für die Bezahlung.
Und der Prozess scheint im Gange zu sein. "Ich bin bereit, in unseren Gremien zu diskutieren, ob unser Prämiensystem noch zeitgemäß ist oder ob man das anpassen sollte", sagte Verbandspräsident Bernd Neuendorf im Juli, schränkte aber auch ein: Es müsse bedacht werden, "dass trotz gleicher Tätigkeit die Märkte immer noch sehr unterschiedlich sind". Die Männer-Nationalmannschaft hat nach Angaben des DFB im vergangenen Jahr ein Plus von mehr als 40 Millionen Euro erwirtschaftet, bei den Frauen hat es ein Minus von 1,5 Millionen Euro gegeben.
Deutschland hängt in Europa hinterher
Das könnte auch ein Grund dafür gewesen sein, dass Neuendorf nicht bereit war, dem Frauen-Team die gleichen WM-Prämien zuzusichern wie den Männern. In Finnland, England, Spanien, der Schweiz und in den Niederlanden ist das schon Realität, in Norwegen gibt es für Spieler und Spielerinnen der Nationalmannschaften schon seit 2017 das gleiche Geld. Die deutschen Spielerinnen hätten für den WM-Titel die FIFA-Prämie bekommen, eine Aufstockung auf die 400.000 Euro, die es bei den Männern im vergangenen Jahr gewesen wären, wurde von Neuendorf abgelehnt.
Australien mit Tarifvertrag - Neuseeländerinnen trotzdem benachteiligt
Doch nicht nur in Deutschland wird gekämpft. Die australische Frauen-Nationalmannschaft postete vor der WM ein eindrucksvolles Video. "Das ist unser Vermächtnis. Wir werden auf dem Feld alles dafür tun, um unser Land stolz zu machen", hieß es darin. Und, um denen, die "in unsere Fußstapfen treten", bessere Bedingungen zu hinterlassen. Doch die Kritik dort geht nicht Richtung Nationalverband, sondern an die FIFA. Spielerin Tameka Yallop erklärte in dem Video: "Tarifverhandlungen haben es uns ermöglicht, dass wir jetzt bis auf eine Ausnahme die gleichen Bedingungen wie die 'Socceroos' (die Männer-Nationalmannschaft, d. Red.) haben. Die FIFA bietet den Frauen aber für die gleiche Leistung weiterhin nur ein Viertel so viel Preisgeld wie den Männern."
Beim Co-Gastgeber Neuseeland gilt Equal Pay schon seit 2018, allerdings nur für das Nationalteam. Zudem hat der gleiche Prozentsatz an Preisgeldern manchmal auch wenig zu bedeuten. "Die Männer haben die höheren Preisgelder. Bei einigen Turnieren bekommen wir nichts, wenn wir nicht weit genug kommen", sagte die ehemalige Nationalspielerin Maia Jackman. "40 Prozent von nichts, bleibt nichts. Aber es gibt inzwischen immerhin die gleiche Unterstützung bei Reisen und Ressourcen."
Mindeststandard oder Tarifvertrag?
Ob FIFA, Landesverbände oder Gesellschaft - dem Frauenfußball steht noch sehr viel Arbeit auf dem Weg zu "Equal Play" und "Equal Pay" bevor. Doch wie kann erreicht werden, dass die Spielerinnen auch in ihren Ländern gerecht behandelt werden? "Man könnte einen Mindeststandard einführen, den die Verbände jedes Mal einhalten müssen, wenn die Nationalmannschaft zusammenkommt. Das wäre der regulatorische Weg", sagte Gregorius. Die zweite Option sei ein Tarifvertrag mit Bedingungen für beide Seiten. Für sie sei wichtig, "dass man von Land zu Land schaut, was am effektivsten ist".
Auch die UN schaut ganz genau hin
Jennifer Cooper, Leiterin des Frauensports bei den Vereinten Nationen (UN), betonte gegenüber "Sky News" jedoch: "Was die Angleichung von Löhnen, Gehältern und so weiter auf nationaler Ebene aller 211 von der FIFA regierten Nationalverbände angeht, wird das meiner Meinung nach eine Weile dauern." Sie wolle sowohl die Versprechen des Weltverbandes als auch die Mittelverwendung der einzelnen Länder kontrollieren.
Cooper forderte zudem, dass mehr Geld in den Frauenfußball gesteckt wird. "Ich hoffe wirklich, dass die WM den Verbänden auf nationaler Ebene zeigen wird, was es braucht, um tatsächlich Mannschaften zu haben, die erfolgreich sein können. Und dass es nicht nur richtig, sondern auch klug ist, diese Frauenmannschaften auf nationaler Ebene zu unterstützen."