Das Santiago Bernabeu aus Torperspektive während des Spiels Real Madrid gegen den FC Barcelona.

Mit Chef aus Deutschland Super League - ein neuer Versuch

Stand: 21.10.2022 09:18 Uhr

Ein Chef aus Deutschland führt künftig die Vermarktung der Super League. Er soll einen zweiten Anlauf starten - und auch deutsche Fußballklubs begeistern. Doch die reagieren wie die UEFA ablehnend.

Bernd Reichart war bis vor einem Jahr Vorsitzender der Geschäftsführung der Mediengruppe RTL Deutschland, jetzt ist er Geschäftsführer der Sport-Agentur A22, die als Vertretung der Super League gegründet worden war. Der 48-Jährige hat Erfahrung im Sportmarketing und setzte auch Sponsoringverträge mit Real Madrid um.

Real Madrid ist nun einer seiner Auftraggeber, der spanische Rekordmeister ist neben dem FC Barcelona und Juventus Turin einer von drei Klubs, die von dem gescheiterten ersten Versuch zur Gründung einer Super League mit zwölf Klubs übrig geblieben sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum zweiten Versuch:

Welche Strategie wird verfolgt?

Reichart versucht, das aktuelle System unter der UEFA als nicht zeitgemäß und problematisch darzustellen. "Der europäische Fußball nutzt sein Potenzial nicht aus, weil er nicht Woche für Woche Topspiele bietet", kritisiert Reichart in einer von der Agentur verbreiteten Videobotschaft. So verliere der Fußball an Aufmerksamkeit, vor allem bei der jüngeren Generation.

Weitere Kritikpunkte von Reichart und A22:

  • Die Reform der Champions League blase den Wettbewerb nur auf, statt ihn zu verbessern.
  • Die Finanzen im Fußball seien außer Kontrolle und schlecht überwacht, was zu einer Ungleichheit im Wettbewerb für reiche Klubs führe. In einem Dossier, aus dem die "Times" in England und der "Kicker" zitieren, wird die Premier League als Super League getadelt, die den Rest abhänge. "Der europäische Klubfußball muss über ein modernes Governance-Modell verfügen", teilte Reichart auf Anfrage der Sportschau mit.
  • TV- und Streaming-Abos sowie Eintrittskarten seien zu teuer. Ein erhöhtes Interesse von Fans könnte die Preise senken.
Soll das Projekt Super League vorantreiben: Bernd Reichert.

Soll das Projekt Super League vorantreiben: Bernd Reichert.

Wie reagiert die UEFA?

UEFA-Präsident Aleksander Ceferin äußerte sich wie üblich sehr abweisend. Das Projekt sei seiner Ansicht nach weiterhin "tot". Bei einem Besuch in Buenos Aires sagte er der amerikanischen Nachrichtenagentur AP: "Wir sind hier, um über Fußball zu sprechen, und das (die Super League) ist kein Fußball". Zuvor hatte die UEFA auf Anfrage der Sportschau mitgeteilt, dass ein Brief von A22 an Ceferin eingegangen sei. "Die UEFA steht einem konstruktiven Dialog stets offen gegenüber", so die UEFA. Den Wunsch nach einem Treffen werde "man zu gegebener Zeit prüfen".

Die UEFA hatte stets mit Nachdruck das europäische Sportmodell verteidigt, in dem sie die alleinige Organisatorin der europäischen Wettbewerbe ist. In den vergangenen Monaten hatte die UEFA versucht, einige der von Reichart angesprochenen Probleme anzugehen:

  • Nach schwierigen Verhandlungen, auch und gerade mit den Spitzenklubs, erreichte die UEFA im Mai eine ab 2024 gültige Reform der Champions League. Diese sorgt künftig für mehr Topspiele, nach denen Reichart verlangte. Teams aus dem ersten Lostopf spielen dann schon vor der K.o.-Runde gegeneinander.
  • Dem Financial Fairplay ließ die UEFA ein neues "Reglement zur Finanziellen Nachhaltigkeit" folgen. Darin wurde auch eine Kostenobergrenze für Spielerkader von 70 Prozent der Einnahmen festgelegt. Viele der großen Klubs, die 2021 in die Super League wollten, lieferten zuvor besonders schlechte Zahlen oder umgingen die Regeln.
  • In der Champions League soll es ab 2024 nochmal deutlich mehr Geld geben - was die Teilnahme an einer Super League unattraktiver machen könnte.

Spielen die Klubs dann in einer geschlossenen Super League statt in der Bundesliga?

Konkrete Informationen über das gewünschte Format einer Super League gibt es noch kaum, aber zwei entscheidende Kritikpunkte versucht A22 von Beginn an zu entkräften. Einer davon: Ihre nationalen Ligen sollen die Klubs nicht verlassen. Das wollten die zwölf Klubs bereits 2021 nicht, da auch in den Heimatmärkten weiter große Erlöse zu erzielen sind. "Alle Klubs sollen natürlich weiter in ihren Ländern spielen", teilte Reichart auf Anfrage der Sportschau mit.

Außerdem soll es laut A22 kein geschlossenes System geben. "Für uns sind Auf- und Abstieg fundamental für einen sportlichen Wettbewerb", hieß es in einem Tweet der Agentur. Reichart teilte mit: "Es gibt keine Formatskizze, die bereits vorliegt. Alle beteiligten Klubs haben in den letzten Tagen stark hinterlegt, dass es um ein Format gehen muss, das offen ist und sportlichen Leistungen Rechnung trägt." 

Das kann Bedenken bei den nationalen Ligen wohl kaum entkräften - in dieser unkonkreten Form bleibt eine Gefahr der Entwertung für die Bundesliga und andere europäische Ligen.

Wie reagiert die Bundesliga?

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) verbreitete nach den Ankündigungen von A22 eine Stellungnahme von ihrer Geschäftsführerin Donata Hopfen, die sich kürzlich bei einer Wirtschaftsveranstaltung zum Thema geäußert hatte. "Die Super League funktioniert einfach nicht, sie passt nicht und ist nicht richtig", sagte Hopfen dort. "Das System muss sich immer fragen, ob es einen Bedarf für Veränderungen gibt. Aber die Super League ist für mich nicht die richtige Antwort. Nicht jetzt und nicht in der Zukunft."

Für die nationalen Ligen wäre eine Super League eine große Entwertung. Die Konkurrenz um TV-Geld wäre möglicherweise noch größer als jetzt schon durch die Champions League. Ein Grundprinzip von Auf- und Abstieg muss zudem nicht bedeuten, dass die Qualifikation alleine über die nationalen Ligen läuft. Und wenn die Bundesliga und die anderen Ligen Europas nicht mehr die alleinige Qualifikation für den europäischen Wettbewerb wären, bliebe ein Großteil der Spannung - und damit des Vermarktungswertes - auf der Strecke.

Was ist mit deutschen Klubs?

2021 hielten sich Bayern München und Borussia Dortmund von der Super League öffentlich fern. "Natürlich möchte ich auch den deutschen Klubs vermitteln, was sich an der Herangehensweise geändert hat", sagte Reichart der Deutschen Presse-Agentur. "Ich freue mich auf Gespräche in jedem europäischen Territorium, natürlich auch in Deutschland. Ich werde gerade die Offenheit des Wettbewerbs hinterlegen."

In Deutschland gab es aber ablehnende Kommentare. "Der Versuch einer Super League ist vor eineinhalb Jahren krachend gescheitert", sagte Bayern Münchens Vorstandschef Oliver Kahn der "Bild" und ergänzte: "Wir haben seitdem unsere Position immer wieder klar kommuniziert." Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund und Aufsichtsratsvorsitzender der DFL, sagte: "Die Champions League ist ein absolut überragendes Format, vor allem ab 2024. Darüber hinaus fühle ich mich bei der UEFA sehr gut aufgehoben, da sie auch die kleineren Clubs im Blick hat."

Ob sich viele weitere Klubs aus Europa der Idee noch einmal anschließen, bleibt ungewiss. In England beispielsweise droht die Premier League möglichen Ausbrechern mit hohen zweistelligen Punktabzügen.

Was sagen Fan-Vertretungen?

Das europäische Fan-Bündnis Football Supporters Europe (FSE) erteilte dem Vorstoß eine klare Absage. "Das ist nichts Neues. Es sind dieselben Absichten von denselben Leuten, die das europäische Sportmodell zugunsten einer Handvoll Vereine aufs Spiel setzen", teilte FSE mit. "Ihnen wurde schon einmal eine Absage erteilt, aber um es noch einmal klar zu sagen: Fans wollen keine europäische Super League."

FSE setzt sich seit längerem für den Erhalt des aktuellen europäischen Sportmodells ein und fordert in einer Kampagne zudem die Anerkennung der sozialen und gesellschaftlichen Bedeutung´des Fußballs sowie die Einbindung von Fans in Entscheidungsprozesse.

Welche Rolle spielt der Rechtsstreit?

Entscheidend wird sein, wie sich der europäische Gerichtshof (EuGH) äußern wird. Ein Handelsgericht aus Madrid hatte die Sanktionen der UEFA gegen die Super-League-Klubs für unrechtmäßig erklärt und den EuGH um eine Einschätzung gebeten, ob sich die UEFA als Organisatorin der Wettbewerbe kartellrechtswidrig verhalte. Eine erste Einschätzung des EuGH soll es im Dezember geben, ein Urteil erst 2023.

Das Handelsgericht in Madrid nahm später seine Einschätzung zurück. Die UEFA, die ein Verfahren gegen Juventus, Real und Barcelona sowie bereits ausgesprochene Strafen gegen die neun anderen Klubs widerrufen hatte, drohte bislang nicht mit neuen Sanktionen.